Mord in der Vogelkoje
auch Asmus. Und doch hatte er, als er sich verabschiedete, wieder das Gefühl, dass viel mehr hinter dieser harmlosen Erklärung steckte.
Das Gespräch mit Christensen, das für alles so harmlose Erklärungen geliefert hatte, brachte Asmus in Erinnerung, dass er sich um die beiden Besucher der Entenkoje zu kümmern hatte. In die Morde schienen sie nicht verwickelt zu sein, aber andererseits warfen ihre jeweils kurze Anwesenheit und ihr wiederholtes spurloses Verschwinden Fragen auf.
Abends klopfte Asmus verhalten bei Bonde Sibbersen. Der rief sofort: »Herein«, und schien richtig froh, Asmus zu sehen. »Setz dich, setz dich«, forderte Bonde ihn auf. »Einen Kurzen und ein Bier?«
»Danke, Bonde, aber ich bin tatsächlich noch im Dienst«, antwortete Asmus bedauernd.
»Ich genehmige mir beides. Ich bin nicht im Dienst.«
Asmus schmunzelte und wartete, bis Bonde mit zwei Flaschen Bier, Köm und vier Gläsern zurückkehrte und sich setzte. »Diese beiden Entendosenkäufer sind uns ein Rätsel. Wir wüssten gerne mehr über sie, weil sie möglicherweise etwas mit den Morden zu tun haben könnten. Vor allem ihre regelmäßigen Kurzbesuche können wir uns nicht erklären.«
»Ich versuche, das noch mal zusammenzufassen. Ich glaube, das erste Mal waren sie im September des vergangenen Jahres bei mir. Und dann jeweils einmal im Monat bis zum April.«
»Haben sie immer nur Dosenenten gekauft oder auch etwas anderes?«
Bonde brauchte gar nicht nachzudenken. »Gemahlenen Kaffee. Du kannst dir denken, dass ein Paket Kaffee damals sechzig- oder achtzigtausend Mark kostete. Sie kauften ihn nicht so regelmäßig wie die Enten. Aber das lag nicht am Geld. Geld hatten sie in Hülle und Fülle.«
»Reichspapiergeld?«
»Meistens. Ab und zu zahlten sie auch mit Dollar.«
»Dass sie deutsches Papiergeld zur Verfügung hatten, lässt darauf schließen, dass sie wirklich immer nur zwei oder drei Tage bleiben wollten. Im Herbst konnten sich ja eine Woche später die Preise schon wieder verdoppelt haben.«
»Ja. Das war eine schreckliche Zeit.«
»Brot könnten sie für diese paar Tage mitgebracht haben. Bonde, der eine der Männer ist hier in der Klinik an einer Fleischvergiftung gestorben.«
»An meinen Enten etwa?« Bonde riss bestürzt die Augen auf.
»Es scheint so. Das Gift muss sich in einer der Dosen befunden haben. Der andere Mann hat nichts abbekommen. Das Merkwürdige ist nur, dass sie die Dosen im April gekauft haben, der Mann aber erst im Mai erkrankte.«
»Ich glaube, das kann ich erklären«, sagte Bonde bedächtig. »Im April habe ich ihnen erzählt, dass mein Vorrat fast am Ende ist und die nächste Fangsaison erst im September beginnt, so dass die neue Lieferung frühestens dann zu erwarten ist. Darauf haben sie dann noch einmal eine Zweierund eine Viererdose gekauft.«
»Die Mairation also. Sie könnten die Dosen im Kojenwäldchen vergraben haben, um sie nicht mitschleppen zu müssen.«
»Ja, kein Problem«, stimmte der Kaufmann zu. »In vier Wochen rosten die nicht durch.«
»Vermutlich war also die Dose mit zwei Schlegeln, die erst im Mai verzehrt wurde, diejenige, die das Gift enthielt. Anscheinend aß der Erkrankte die beiden Schlegel aus dieser Zweierdose, der andere ein oder zwei Schlegel aus der Viererdose. Zufall vermutlich. Den Rest teilten sie sich dann wohl als Appetithäppchen am Morgen, bevor sie abreisen wollten. Oder der Vergiftete erkrankte derart schnell, dass er nichts mehr aß. Jedenfalls hat der andere erkannt, wie schwerwiegend dessen Symptome waren, und hat ihn immerhin ins Krankenhaus gebracht.«
»Das hört sich plausibel an«, sagte Bonde bedrückt. »Ich weiß nicht, ob ich jetzt noch jemals Entendosen verkaufen sollte.«
»Wie lange verkaufst du die schon?«
Bonde überlegte. »Dreißig Jahre sicher.«
»Und hast noch nie einen Unfall dieser Art erlebt?«
Bonde schüttelte stumm den Kopf.
»Dann gibt es nicht den geringsten Grund, jetzt mit dem Verkauf von Dosenenten aufzuhören. Stell dir vor, ein Bauer bringt gutes Schweinefleisch auf den Markt. Dreißig Jahre lang. Dann wird erstmals jemandem von seinem Fleisch schlecht. Vielleicht blieb das Fleisch auf dem Wagen des Käufers in der Sonne liegen, vielleicht hat seine Hausfraudas Hackfleisch erst nach drei Tagen verarbeitet, vielleicht hat sie es in einem verschmutzten Topf mit alten Fleischresten geknetet. Das weiß niemand. Aber keiner würde den Bauern mit dem sonst immer guten Fleisch beschuldigen. Wieso willst
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