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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Verteidiger fort:
    »Ich wiederhole: es ist erwiesen, daß Carl Weynert Dokumente in seinem Besitz hatte, die zu einer Erpressung höchst geeignet waren. Es ist weiter erwiesen, daß er dem Angeklagten nachgefahren ist. Es ist weiter erwiesen, daß er wegen einschlägiger Delikte wiederholt bestraft wurde. Ich überlasse es in diesem Punkte dem Hohen Gericht und Ihnen, meine Herren Geschworenen, wem Sie Glauben schenken wollen oder müssen.«
    Nun fing Dr. Herrmann an, einige Details, die mir hätten verhängnisvoll werden können, zu zerpflücken. Ich fand es hochinteressant, wie er das machte, und ich bewunderte seinen Scharfsinn. Er hatte wirklich über meinen Fall nachgedacht!
    So sagte er beispielsweise über die Klingel im Hotelzimmer, die ich unbrauchbar gemacht hatte:
    »Der Angeklagte ist Buchhalter, er ist ein technisch völlig unbegabter Mensch, vor allem aber ist er kein Elektriker. Die Untersuchung hat ergeben, daß das Nichtfunktionieren der Zimmerklingel auf eine Nachlässigkeit der Monteure zurückzuführen ist, wie sie heute bei neuen Bauten häufig zu beobachten ist.«
    Neu und sehr einleuchtend war es dann zu hören, was mein Verteidiger weiter sagte:
    »Es könnte nun allerdings die Meinung aufkommen, der Angeklagte habe sich des lästigen Erpressers mit Gewalt entledigen wollen, er habe ihn zur Balkontür hinausgestoßen. Hierzu möchte ich den Befund der Obduktion zuziehen, der ergeben hat, daß sich keinerlei Anzeichen für einen dem Sturz vorausgegangenen Kampf gefunden haben. Hätte sich aber Carl Weynert von dem immerhin etwas schwächlichen Angeklagten widerstandslos aus der Türe stoßen lassen? Hier habe ich den fraglichen Punkt im Befund über die Obduktion. Es heißt hier wörtlich:
    >Die Verletzungen, die an der Leiche festgestellt wurden, stammen eindeutig von dem Sturz vom vierten Stockwerk auf die Ziegelsteine. In den wenigen vorhandenen Abschürfungen und Quetschwunden wurde Ziegelstaub festgestellt. Weitere Verletzungen oder Quetschungen, die auf eine Gewalteinwirkung vor dem Sturz schließen lassen, konnten nicht festgestellt werden.< — Das dürfte wohl als Beweis genügen, daß Carl Weynert nicht mit Gewalt aus der Tür gestoßen wurde, sondern die Tür in seiner Trunkenheit öffnete, auf den Balkon treten wollte — vermutlich um etwas frische Luft zu schöpfen — und dabei ist er abgestürzt.«
    Ja, dachte ich, genauso hätte es sein können, wenn ich ihn nicht so überraschend vor der Tür bekommen und hinausgestoßen hätte. Aber für meine Gedanken blieb mir keine Zeit, denn schon hörte ich meinen Verteidiger über die Pistole sprechen.
    »Der Herr Staatsanwalt hat behauptet, die Pistole müsse dem Angeklagten gehört haben, er sei also schon mit der Absicht nach Davos gefahren, Carl Weynert aus dem Wege zu räumen, so oder so. Und erst der fehlende Balkon und die unverschlossene Balkontür hätten den Angeklagten auf den Gedanken gebracht, Carl Weynert nicht zu erschießen, sondern einen Unfall zu inszenieren.«
    Wie recht der Staatsanwalt da hatte, der einzige Punkt, in dem er die Wahrheit erriet. Allerdings hatte ja die Pistole wirklich nicht mir gehört, und das erklärte Dr. Herrmann den Geschworenen wieder mit überzeugender Logik.
    »Der Angeklagte«, fuhr Dr. Herrmann fort, »bemerkte mit Entsetzen, was sich während seiner Abwesenheit vom Zimmer zugetragen hatte. Zugleich empfand er, wie es wohl eine sehr nüchterne Reaktion ist, eine gewisse Erleichterung, daß der Erpresser, der heimtückische Quälgeist, einen Unfall erlitten hatte. Was lag nun näher als die Schlußfolgerung des Angeklagten, er müsse sich sofort der verräterischen Briefe und Fotos bemächtigen, um sie nicht in fremde Hände fallen zu lassen? Carl Weynert hatte dem Angeklagten gegenüber ja behauptet, er trage diese Dokumente bei sich, was durchaus glaubhaft ist, denn er wollte ja bares Geld dafür. Also eilte der Angeklagte hinunter, um nach diesen Papieren zu suchen. Er fand sie nicht, weil sie sich, wie wir schon gehört haben, noch in der Wohnung des Toten befanden. Aber er entdeckte die Pistole. Um allen Weiterungen aus dem Weg zu gehen, versteckte er die Pistole, denn er nahm ganz richtig an, daß die Polizei ihm peinliche Fragen gestellt haben würde, falls man bei dem Toten eine Pistole gefunden hätte.
    Hohes Gericht, meine Herren Geschworenen! In diesem Falle hat sich der Angeklagte schuldig gemacht. Durch seine Handlung wurde die Aufklärungsarbeit der Polizei behindert, ein

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