Mord in Londinium
gewöhnlich.
»Vielleicht von seiner aufregenden Geliebten, der Frau des Gangsters«, spottete Maia. Petros dämliche Geschichte war auf dem ganzen Aventin bekannt gewesen. Balbina Milvia hatte zu klammern versucht, aber Petro, dessen Eheleben ramponiert und dessen Stellung bei den Vigiles bedroht war, hatte ihr den Laufpass gegeben. Er wusste, dass seine Tändelei mit Milvia sehr gefährlich gewesen war.
»Ein Gangster!« Flavia war äußerst beeindruckt.
»Bitte, bleibt doch ernst.« Hilaris war bedrückter als gewöhnlich. »Dieser Brief kommt von den Vigiles. Geschrieben von seinem Tribun Rubella. Aber er gibt darin eine Nachricht an Petronius von dessen Frau weiter.«
»Exfrau.« Ich schaute meine Schwester nicht an.
Als ich das sagte, ging mir auf, dass Aspekte dieses Briefes, der Hilaris sichtbar beunruhigte, seltsam waren. Er würde leugnen, dass in seiner Provinz Korrespondenz zensiert wurde, und trotzdem hatte er den Brief offensichtlich gelesen. Warum hatte er ihn nicht einfach aufgehoben, bis Petro zurückkam? Warum war der Brief von Petros Tribun geschrieben worden? Arria Silvia konnte selbst schreiben, wenn sie wollte – was angesichts dessen, wie es zwischen ihnen stand, unwahrscheinlich war. Aber sie würde kaum Petros Vorgesetzten bitten, ihr übliches Genörgel darüber weiterzuleiten, dass die drei Mädchen aus ihren Kleidern herauswüchsen und es Geldprobleme gebe, weil sich der eingetopfte Salat ihres neuen Freundes nicht mehr verkaufte …
Auch konnte ich mir nicht vorstellen, dass irgendein Vigilestribun, besonders der hart gesottene Rubella vom Aventin, Petro ein Briefchen schickte, um ihm schöne Ferien zu wünschen.
Woher wusste Silvia überhaupt, dass Petro in Britannien war? Woher wusste Petros Tribun das? Wenn Petro Urlaub genommen hatte, würde er sein Reiseziel für seine eigene Angelegenheit halten.
»Gib mir den Brief, wenn du willst«, bot ich an.
Hilaris ging nicht auf mein Angebot ein, die Schriftrolle in Verwahrung zu nehmen. »Der Brief wurde vom Stadtpräfekten weitergeleitet.«
»Offizielle Kanäle?« Ich starrte ihn an. »Der Präfekt steht der Spitze so nahe, dass er praktisch am Togazipfel des Kaisers hängt! Was zum Hades geht da vor?«
Hilaris senkte den Kopf, wich meinem Blick aus.
»Was ist los, Gaius?«
»Ich weiß es wirklich nicht!« Hilaris runzelte die Stirn und klang leicht verärgert. Er hatte sein Arbeitsleben Britannien gewidmet und erwartete, dass man ihn auf dem Laufenden hielt. »Ich dachte, du wüsstest es, Falco.«
»Tja, ich weiß es nicht.«
»Jemand ist gestorben, Marcus«, unterbrach Aelia Camilla, als wolle sie uns zu Verstand bringen. Also war ihr Mann verstört genug gewesen, den Inhalt des Briefes mit ihr zu besprechen.
»Ich wusste nicht, dass Petronius viel Familie hat.« Helena warf mir einen raschen Blick zu. Er hatte ein paar plattfüßige Verwandte auf dem Land, die er sehr selten sah. Eine Tante in Rom. Mit der hatte er Kontakt, aber wer bekommt dringlich um die halbe Welt geschickte Briefe von getrennt lebenden Ehefrauen – wegen einer Tante? Seine Tante Sedina war alt und übergewichtig, und es wäre kein Wunder, wenn sie gestorben war.
Helena musste in meinem Gesicht eine Widerspiegelung ihrer eigenen Befürchtungen erkannt haben. »Oh, doch keines seiner Kinder!«, stieß sie hervor.
Aelia Camilla war sichtlich betrübt. »Ich fürchte, es ist schlimmer – es waren zwei.«
Alle waren entsetzt. Die Nachricht des Tribuns war kurz angebunden und bürokratisch: L. Petronius Longus wurde mit Bedauern mitgeteilt, dass zwei seiner Kinder an Windpocken gestorben waren.
» Welche beiden?«, wollte Helena wissen.
»Das steht da nicht …« Hilaris geriet sofort in ein Sperrfeuer weiblichen Ärgers.
»Du musst sofort eine dringende Anfrage schicken«, befahl seine Frau. »Wir müssen diesem armen Mann sagen können, welche seiner Töchter überlebt hat!«
»Sind es alles Töchter?«
»Ja, er hat drei Töchter, von denen er mit großer Zärtlichkeit spricht. Gaius, du scheinst ihm überhaupt nicht zugehört zu haben.«
Meine Schwester Maia war stumm geblieben, aber sie begegnete meinem Blick mit Entsetzen. Wir wussten, dass Petronius mit Windpocken im Bett gelegen hatte, zweifellos von seinen Kindern angesteckt, als er durch Gallien hierher gereist war. Maias sämtliche Kinder hatten es gleichzeitig mit ihm gehabt. Sie hätten alle sterben können. Wenn es Petro erwischt hätte, wären die vier jungen Didii ihrem
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