Mord in Londinium
kann ihn genauso gut zu Ende führen. Was anderes bleibt mir nicht mehr.«
»Du hast noch eine Tochter!«, schnauzte Maia. »Und da ist auch Silvia.«
»Ach, Silvia!« Ein neuer Ton schlich sich in Petros Stimme. Endlich zeigte er etwas Gefühl, obwohl nicht klar war, ob seine Wehmut seiner Exfrau, ihm selbst oder sogar den Parzen galt. »Ich glaube, sie möchte, dass wir beide wieder zusammenkommen. Ich habe das bereits gespürt, als ich bei ihr in Ostia war. Dieser Freund, den sie sich zugelegt hat, ist ein Versager, und jetzt …« Das brach aus ihm heraus, dann bremste er sich. »Jetzt haben wir ein Kind zu trösten.«
»Und was willst du?«, fragte Maia ihn leise.
»Ich kann das nicht! Das ist Vergangenheit.« Er würde wissen, wie viele Männer beschlossen hatten, in solchen Dingen fest zu bleiben, nur um dann davon abgebracht zu werden. Schmerz und schlechtes Gewissen vereinten sich, um ihn in die Falle zu locken. Das tränenüberströmte Gesicht seiner überlebenden Tochter würde ihn verfolgen.
»Dann hat Silvia auf der ganzen Linie verloren.« Es überraschte mich, dass meine Schwester so gerecht sein konnte. Sie hatte ihn sogar selbst daran erinnert, dass Arria Silvia ihn brauchte.
»Du glaubst, ich sollte es tun?«, fragte Petronius brüsk.
»Ich werde dir nicht sagen, was du tun sollst. Das musst du selbst entscheiden. Aber …«, konnte sich Maia nicht verkneifen hinzuzufügen, »… mach keinen Fehler aus schlechtem Gewissen.«
Petronius gab ein kurzes, zustimmendes Schnauben von sich. Wenn ihm das half, seine Entscheidung zu treffen, gab er seine Gedanken nicht preis. Er war wegen seines Privatlebens immer zugeknöpft gewesen. Als wir uns in der Armee ein Zelt teilten, gab es Dinge, die er nicht vor mir verbergen konnte, aber seither hatte ich immer raten müssen. Er behielt seine Gefühle für sich, dachte, Zurückhaltung würde ihm helfen. Vielleicht hatte das sogar zu den Problemen beigetragen, als er mit Arria Silvia zusammenlebte.
Maia schien der Meinung zu sein, alles getan zu haben, was sie tun konnte. Ich hörte Bewegungen. Sie war wohl aufgestanden. »Ich gehe jetzt.« Er sagte nichts. »Pass auf dich auf.« Petronius blieb sitzen, blickte aber anscheinend zu ihr auf. »Also, Maia Favonia! Ich verstehe die Sache mit den Jungs. Aber warum bist du gekommen?«
»Oh … du kennst mich doch.«
Ein weiteres humorloses Schnauben ertönte. »Nein«, erwiderte Petronius mit immer noch ausdrucksloser Stimme. »Ich kenne dich nicht. Du weißt verdammt gut, dass ich das wollte – aber das ist alles vorbei, nicht wahr?«
Meine Schwester ging wortlos davon.
Als Petronius abrupt aufsprang und in das Badehaus ging, machte auch ich mich zum Gehen bereit. Ich hätte ihm folgen sollen. Er litt. Aber meine Anwesenheit zu erklären wäre zu schwierig gewesen. Ich hatte nie gewollt, dass er und meine Schwester zusammenkamen, war jedoch beunruhigt durch die Szene, die ich gerade mitbekommen hatte.
Während ich unentschlossen dastand, mischte sich jemand Drittes ein.
»Bitte!« Das plötzliche, gedämpfte Flüstern entging mir fast. »Bitte, Falco!« Ich war nicht in der Stimmung für Einmischung. Trotzdem, wenn man seinen Namen irgendwo hört, wo man es nicht erwartet, reagiert man immer.
Ich trat auf die Straße hinaus und schaute nach oben. Über mir an einem Fenster dieser Bruchbude, die sich die ›Alte Nachbarin‹ nannte, sah ich Albias weißes Gesicht. Sie brauchte nicht groß zu erklären, dass sie in Schwierigkeiten war. Und sie flehte mich an, sie da rauszuholen.
Jetzt saß ich selbst in der Falle. Ich hatte Albia noch nie sprechen hören. Sie war eindeutig starr vor Angst. Ich hatte sie heute in diese Straßen gebracht. Helena Justina hatte ihr Zuflucht versprochen, aber ich hatte das Mädchen wieder der Gefahr ausgesetzt. Mir blieb nichts anderes übrig; ich musste in dieses dunkle, zweifellos unfreundliche Haus und sie herausholen. Das alte Didius-Leiden hatte wieder zugeschlagen. Albia war meine Verantwortung.
XXIII
In dem Moment, als ich über die Schwelle trat, wusste ich, was für ein Haus es war. Der Eingangsflur war immer noch leer. Ein kleiner, schäbiger Beistelltisch, der die Tür offen hielt, stand mir im Weg. Der angestoßene und dreckige Teller darauf war für Trinkgeld bestimmt. Er war leer. Nicht einmal der übliche zerbrochene Quadrans, um die Leute auf die richtige Idee zu bringen. Nur ein rostiger Nagel, den ein Witzbold als milde Gabe dagelassen
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