Mord in Londinium
schmutziger Lumpen gehüllt, der dreckstarrende Stoff wie Käseverpackungen rund um ihren Körper gewickelt. Diese Umhüllung schien Schmutz, Flohkötel und Gerüche in sich aufgesaugt zu haben. Sie war in Dreck mariniert. Und die grausige Puffmutter verströmte den Duft ihres ekligen Gewerbes.
»Warum nicht?«, beharrte ich. »Was ist so Besonderes an der da?«
»Der Sammler hat sie erst heute gebracht.«
»Wer ist der Sammler? Ich bin sicher, der Mann ist verständig. Kann ich mit ihm sprechen?«
»Ihr Götter, aus welchem Ei bist du denn geschlüpft? Er wird dich nicht empfangen. Verschwinde!«, befahl sie.
Ich behielt die Rolle des höflichen Unschuldigen bei und steckte den schweren Keil, der die Tür versperrte, wieder zurück. »Kann ich später wiederkommen?«
»Nein!«, brüllte der menschliche Schimmelpilz.
Da ich wusste, dass ich nach wie vor das Mädchen finden musste, enthielt ich mich jeder Antwort und verschwand leise.
Albia wartete tatsächlich. Als ich halb erstickt in die herrliche Luft hinauswankte, wimmerte sie. Man hatte sie nicht sichtbar verprügelt, aber entkleidet; sie zitterte in einem zerrissenen Untergewand, drückte jedoch das blaue Kleid an sich, das die Hilariskinder für sie gefunden hatten, jetzt an ihrer knochigen Brust zu einem kleinen Bündel zusammengefaltet. Ihr einziger Besitz auf dieser Welt. Ihre erste anständige Erfahrung. Vielleicht der einzige Grund, warum sie mir vertraute.
Ich nickte ihr zu, mit mir zu kommen. Wir gingen auf die Veranda des Badehauses, wo ich stehen blieb, um meine Lunge zu reinigen; ich musste schwer husten, sonst hätte ich gewürgt.
»Du stinkst, Mädchen.« Ich war nur kurz in dem Bordell gewesen, aber ich hatte das Gefühl, selber zu stinken. Ich konnte warten. In der Residenz gab es ein anständiges Badehaus, aber ich musste Albia präsentabel machen, bevor ich sie in Helenas Obhut zurückbrachte. Schon um meinetwillen. »Wir gehen nach Hause. Es ist vorbei. Aber erst müssen wir dich säubern.«
Petronius lehnte neben dem Kassenschalter. Da er Wache hielt, ignorierte ich ihn, wie es den Regeln entsprach.
Das Badehaus ließ nur ein Geschlecht auf einmal ein, und momentan war Männerstunde. Ich konnte Albia nicht da durchschicken und gedachte keinesfalls, sie selbst mit hineinzunehmen. Ich überredete den Kassierer, mir Schwämme und einen Eimer warmes Wasser zu bringen, dann schickten wir das Mädchen in den Umkleideraum, damit es sich abwusch. Bei den Spinden waren keine Kunden, und ich brauchte mir zumindest keine Sorgen zu machen, dass Albia aus der Hintertür verschwand.
»Wenn sie irgendwelche Kleidungstücke klaut …«
»Wird sie nicht.« Sie hatte ihr geliebtes blaues Kleid.
Eine Bank war im Vestibül angebracht, wo die Karten verkauft wurden. Zwei junge Frauen saßen dort, massierten sich Mandelöl in die Fingernägel. Sie waren anständig gekleidet, hatten glänzendes, ordentlich hochgestecktes Haar und eine gute Haltung, trotzdem machten sie den Eindruck, Prostituierte zu sein. Freundinnen sitzen oft zu zweit zusammen, gleich gekleidet, also verleumdete ich sie vielleicht. Sie schienen auf Verdacht hier zu sitzen, quatschten mich aber nicht an, selbst während ich untätig auf Albia wartete. Nachdem sie meine Verhandlungen schweigend beobachtet hatten, standen sie beide auf und gingen.
Ich trat wieder auf die Veranda hinaus, gab Petro die Chance, mir ruhig hinterherzuschlendern.
»Was ist los?«, murmelte er.
»Helenas Schützling.« Wir standen Seite an Seite, schauten auf die Straße hinaus und sprachen sachlich miteinander wie zwei Fremde, die ein paar höfliche Worte wechseln, während einer von ihnen auf einen Freund wartet. »Ich muss dir was erzählen, Lucius.« Ich durfte ihn ja nicht wissen lassen, dass ich Maias Besuch mitgekriegt hatte. »Es geht um deine Familie …«
»Lass es. Ich weiß es schon.«
»Ach so … Uns bricht das Herz deinetwegen. Es waren so nette Mädchen.«
Petronius blieb stumm. Ich spürte, wie er sich um strikte Selbstkontrolle bemühte. Schließlich murmelte er: »Und was bringt dich hierher?«
So konnte es funktionieren. Ich wollte seinen Rat. »Ich glaube, ich bin einem Prostitutionsring auf die Spur gekommen.«
»Du hast das Mädchen aus dem Bordell gestohlen, Falco? Das könnte Ärger geben.«
»Helena hat das arme Ding unter ihre Fittiche genommen. Die Kleine hat mir zuerst gehört.«
»Versuch mal, denen das beizubringen! Haben sie dich gesehen?«
»Ich fürchte, ja.
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