Mord in Londinium
fast dunklen Raum abgeladen. Inzwischen war es Abend. Schwache häusliche Geräusche und Gerüche deuteten darauf hin, dass die Bewohner hier beim Essen saßen. Mir wurde nichts gebracht. Für Privatschnüffler ist Hungern der Fluch ihres Berufes.
Sie hatten mich nicht gefesselt, aber die Tür war entweder verriegelt oder abgeschlossen. Ich blieb ruhig. Zumindest vorläufig. Seit meiner Gefangennahme war mir keine Gewalt angetan worden. Diese Frauen waren Kämpferinnen, aber sie töteten berufsmäßig – für die Siegerprämie. Wenn sie mich aus einem bestimmten Grund hergebracht hatten, schien dieser Grund nicht meinen Tod zu fordern.
Trotzdem war ich argwöhnisch. Sie waren Kämpferinnen, und sie waren eine ganze Menge.
Als sie den Unterhaltungsteil ihres Abends erreicht hatten, zu dem andere vielleicht Parterreakrobaten, witzige Zwerge und Flötistinnen hätten kommen lassen, holten sie mich. Das Haus war stilvoll. Es musste einen Speiseraum geben, und ich dachte sehnsuchtsvoll an Essensreste. Aber sie wollten sich mit mir in einem kleinen, säulengeschmückten Garten amüsieren. Ich wurde durch stille Flure mit glatt verlegten Tesserae geführt. Von irgendwo kam der betörende Geruch rauchender Pinienzapfen, wie sie bei Arenaritualen verwendet werden. Von irgendwo anders wehte der irritierende Duft sautierter Zwiebeln herüber, nur dazu gedacht, hungrige Männer zu quälen.
Die Grazien, die mich gefangen genommen hatten, lehnten lässig an den Säulen, während ich wie ein unartiges Kind in der Mitte stand. Falls sie mein Magenknurren mitbekamen, überhörten sie es und bewiesen damit, dass Gladiatoren Grausamkeit zur zweiten Natur wird. Ich muss ein trauriges Bild abgegeben haben: dreckig und zerschrammt, niedergeschlagen, verwirrt, stinkend und erschöpft. All das ist in meinem Gewerbe normal, sah aber vielleicht für eine Gruppe Kämpferinnen nicht so farbenfroh aus. Sie gehörten zu einer Klasse, die gesetzlich berüchtigt und von allen Rechten der Gesellschaft ausgeschlossen war. Privatermittler mochten verunglimpft werden, ein Objekt der Satire, deren Rechnungen nie bezahlt wurden, aber trotzdem war ich ein freier Mann. Ich hatte das Recht zu wählen, Steuer zu hinterziehen oder es mit meinen Sklaven zu treiben. Ich hoffte, dass diese Frauen vom Rand der Gesellschaft mich darum nicht zu sehr beneiden würden.
Mir war auch noch aus einem anderen Grund mulmig. Alle Männer wissen von der Pubertät an, dass Arenakämpferinnen Eier zerquetschende, lüsterne Raubtiere sind.
Wenn man sie so ansah, verbargen sie diesen Aspekt auf höfliche Weise. Obwohl die beiden, die mir zuerst im Badehaus aufgefallen waren, wie schamlose Mädchen beim Warten auf Freier gewirkt hatten, machten sie hier, entspannt zu Hause in der ganzen Gruppe – fünf oder sechs im Moment – den Eindruck von Waldnymphen, die nichts anderes im Sinn hatten, als unflätige Echos zu erzeugen. Frisch gewaschene weiße Gewänder, endlos gekämmtes Haar, manikürte Zehen in perlengeschmückten Hauspantoffeln. Man hätte versucht sein können, Poesie mit diesen Schönheiten zu diskutieren – bis man ihre Arroganz bemerkte, ihre Muskeln und ihre verheilten Narben. Sie gaben eine seltsame Mischung ab. Groß oder klein, blond oder schwarz: bestimmt ein Kassenschlager. Eine hob sich von den anderen ab, ein Mädchen, das glaubte, ein Junge zu sein, oder ein Junge, der glaubte, er sei ein Mädchen.
Zuerst wunderte ich mich, dass sie nicht in Gladiatorenbaracken angekettet waren. Wie konnten sie es sich leisten, ein angenehmes und ansehnliches Haus zu führen? Dann wurde es mir klar. Ja, unerprobte Kollegen wurden von zweifelhaften Lanistae wie Leibeigene in Gladiatorenschulen gehalten, aber diese hier hatten Unabhängigkeit erlangt. Das waren erfolgreiche Kämpferinnen. Die erfolglosen waren tot.
»Habt ihr vor, mich gehen zu lassen?«, fragte ich demütig.
»Amazonia kommt gleich.« Das wurde mir von einer sehr hoch gewachsenen, schlanken Negerin mitgeteilt.
»Wer ist das?«
»Du wirst es erfahren.«
»Klingt beunruhigend.«
»Dann fürchte dich! Und wer bist du?«
»Didius Falco ist mein Name.«
»Und was machst du von Beruf, Falco?« Starke Anzüglichkeit ließ mich zwinkern. Oder bildete ich mir die Anzüglichkeit nur ein? Ich verkniff mir zu witzeln, ich sei bloß ein Faulenzer, der mit Mädchen herumtändle, und sagte geradeheraus, dass ich für den Statthalter arbeite und den Tod von Verovolcus untersuche. Es schien das Beste,
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