Mord in Mesopotamien
Maitland! Er muss! Es dürfte nicht schwierig sein.»
Dr. Reilly entgegnete langsam: «Es könnte schwieriger sein, als Sie denken… nicht wahr, Maitland?»
Hauptmann Maitland zupfte an seinem Schnurrbart, ohne zu antworten.
Plötzlich rief ich: «Entschuldigen Sie, aber mir fällt etwas ein!»
Und ich erzählte die Geschichte von dem Iraker, den wir gesehen hatten, als er durch das Fenster blicken wollte, und der vor zwei Tagen wieder um das Haus herumgelungert war und Pater Lavigny hatte aushorchen wollen.
«Wir werden das notieren», sagte der Hauptmann. «Es ist ein Anhaltspunkt für die Polizei, möglicherweise hat der Mann mit der Sache etwas zu tun.»
«Vielleicht sollte er ausspionieren, wann die Luft rein sein würde», warf ich ein.
Inzwischen hatte sich Hauptmann Maitland zu Dr. Leidner gewandt. «Wir wollen noch einmal die Daten überprüfen, Leidner. Nach Tisch, etwa fünf Minuten nach halb eins, begab sich Ihre Frau, begleitet von Schwester Leatheran, in ihr Zimmer. Sie selbst gingen aufs Dach, wo Sie die nächsten zwei Stunden blieben. Stimmt das?»
«Jawohl.»
«Sind Sie in dieser Zeit einmal heruntergekommen?»
«Nein.»
«Ist jemand zu Ihnen heraufgekommen?»
«Ja, Emmott ging zwischen mir und dem Jungen, der unten Töpfe säuberte, hin und her.»
«Haben Sie selbst öfter in den Hof geschaut?»
«Ein- oder zweimal, um Emmott etwas zuzurufen.»
«Und immer saß der Junge mitten im Hof und säuberte Töpfe?»
«Ja.»
«Wie lange war Emmott jeweils bei Ihnen?»
«Das ist schwer zu sagen… einmal vielleicht zehn Minuten. Aber wenn ich in meine Arbeit vertieft bin, ist mein Zeitgefühl schwach.»
Der Hauptmann zog ein kleines Notizbuch hervor und öffnete es. «Ich möchte Ihnen vorlesen, Leidner, was jedes Ihrer Expeditionsmitglieder zwischen ein und zwei Uhr getan hat.»
«Aber…»
«Einen Moment! Sie werden gleich verstehen, was ich im Sinn habe. Zunächst Mr und Mrs Mercado. Mr Mercado gab an, er habe im Laboratorium gearbeitet, Mrs Mercado, sie habe sich in ihrem Zimmer die Haare gewaschen. Miss Johnson sagt, sie habe im Wohnzimmer Abdrücke von Tonzylindern gemacht. Mr Reiter erklärt, er habe in der Dunkelkammer Platten entwickelt, Pater Lavigny hat in seinem Zimmer gearbeitet. Carey war am Ausgrabungsort und Coleman in Hassanieh. Das sind die Expeditionsmitglieder. Nun zum Personal. Der Koch – Ihr indischer Bursche – saß vor dem Torbogen, plauderte mit der Wache und rupfte zwei Hühner. Ibrahim und Mansur, die Hausboys, kamen gegen ein Uhr fünfzehn zu ihm und blieben dort lachend und schwatzend bis zwei Uhr dreißig… zu dem Zeitpunkt war Ihre Frau bereits tot.»
Dr. Leidner beugte sich vor. «Ich verstehe Sie nicht… worauf wollen Sie hinaus?»
«Gibt es außer der Tür zum Hof noch eine Zugangsmöglichkeit zum Zimmer Ihrer Frau?»
«Nein. Es gibt die beiden Fenster, aber die sind fest vergittert, außerdem standen sie nicht offen.» Er sah mich fragend an.
«Sie waren von innen zugemacht», erklärte ich sofort.
«Aber auch wenn sie offen gewesen wären», fuhr der Hauptmann fort, «hätte niemand auf diese Weise das Zimmer betreten oder verlassen können, ich habe mich mit meinen Leuten davon überzeugt, ebenso wenig wie durch die Fenster der anderen Zimmer, die aufs Feld gehen. Alle haben Eisengitter, die in gutem Zustand sind. Um in das Zimmer Ihrer Frau zu gelangen, musste ein Fremder durch das Tor in den Hof gehen. Aber sowohl die Wachen wie der Koch und die Hausboys haben versichert, dass dort niemand durchgekommen sei.»
Dr. Leidner sprang auf. «Was meinen Sie damit? Was meinen Sie damit?»
«Nehmen Sie sich zusammen, Leidner», sagte Dr. Reilly ruhig. «Ich verstehe, es ist ein Schlag für Sie, aber Sie müssen sich damit abfinden. Der Mörder kam nicht von außen, er kam aus dem Haus. Es sieht so aus, als sei Mrs Leidner von einem Mitglied Ihrer Expedition ermordet worden!»
12
« N ein! Nein!» Dr. Leidner ging aufgeregt auf und ab. «Das ist unmöglich, Reilly… völlig unmöglich. Einer von uns? Alle liebten Louise.»
Es zuckte um Dr. Reillys Mundwinkel. Unter diesen Umständen war es schwer zu widersprechen, doch wenn je ein Schweigen beredt war, so war es seines.
«Völlig unmöglich!» wiederholte Dr. Leidner. «Alle liebten sie. Louise war bezaubernd, und das fand jeder.»
Dr. Reilly seufzte. «Entschuldigen Sie, Leidner, aber das ist nur Ihre Meinung. Wenn ein Mitglied der Expedition Louise nicht mochte, hätte man es Ihnen
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