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Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Vor allem ist es nötig, dass, wie Sie sich ausgedrückt haben, alle Karten auf dem Tisch liegen – nichts darf zurückgehalten werden.»
    «Natürlich nicht», stimmte Dr. Reilly zu.
    «Darum suche ich die volle Wahrheit», fuhr Poirot fort.
    Dr. Leidner sah ihn überrascht an: «Ich versichere Ihnen, Monsieur Poirot, dass ich Ihnen alles gesagt habe, was ich weiß.»
    «Trotzdem, Sie haben nicht alles gesagt.»
    «Aber bestimmt; ich weiß nicht, was ich verschwiegen hätte.» Er sah gequält aus.
    Poirot schüttelte freundlich den Kopf. «Nein», sagte er, «Sie haben mir zum Beispiel nicht gesagt, warum Sie Schwester Leatheran ins Haus genommen haben.»
    Dr. Leidner sah ihn völlig verwirrt an. «Aber ich habe es Ihnen doch gesagt, es ist doch ganz klar. Die Nervosität meiner Frau… ihre Angstzustände…»
    Poirot beugte sich vor. Langsam, nachdrücklich bewegte er den Zeigefinger auf und ab. «Nein, nein, nein! Das ist nicht ganz klar. Ihre Frau ist in Gefahr, man droht ihr mit dem Tod, und Sie gehen nicht zur Polizei, nicht zu einem Privatdetektiv, sondern Sie engagieren eine Krankenschwester. Das ist unbegreiflich.»
    «Ich… ich…» Dr. Leidner hielt inne und wurde rot. «Ich dachte…» Wieder stockte er.
    «Jetzt kommen wir zu dem Punkt», ermutigte ihn Poirot, «Sie dachten… was?»
    Dr. Leidner schwieg, er war sichtlich erschöpft.
    «Sehen Sie», Poirots Ton wurde eindringlich, «alles klingt wahr, was Sie gesagt haben, nur das nicht. Warum eine Schwester? Es gibt eine Antwort… ja. Es gibt nur eine Antwort. Sie selbst glaubten nicht, dass sich Ihre Frau in Gefahr befand.»
    Mit einem Aufschrei brach Dr. Leidner zusammen. «Gott helfe mir», stöhnte er, «nein, ich glaubte es nicht, ich glaubte es nicht.»
    Poirot beobachtete ihn wie eine Katze, die vor einem Mauseloch auf Beute lauert. «Was glaubten Sie denn?», fragte er.
    «Ich weiß es nicht …»
    «Doch, Sie wissen es, Sie wissen es ganz genau. Vielleicht kann ich Ihnen helfen… mit einer Vermutung. Hatten Sie Ihre Frau in Verdacht, die Briefe selbst geschrieben zu haben? »
    Es war keine Antwort nötig. Die Wahrheit von Poirots Vermutung war zu augenscheinlich. Dr. Leidner hielt eine Hand entsetzt hoch, als wolle er um Gnade flehen, das war beredt genug.
    Ich atmete schwer. Ich hatte also recht gehabt mit meiner Vermutung. Ich erinnerte mich an den merkwürdigen Ton, in welchem mich Dr. Leidner gefragt hatte, was ich von alledem hielt, und ich nickte nachdenklich, als mir plötzlich bewusst wurde, dass Poirot mich anblickte.
    «Haben Sie dasselbe gedacht, Schwester?»
    «Ich hielt es für möglich», antwortete ich wahrheitsgetreu.
    «Wieso?»
    Ich erklärte die Ähnlichkeit der Handschrift auf dem Brief, den Mr Coleman mir gezeigt hatte.
    «Hatten Sie die Ähnlichkeit ebenfalls bemerkt?», wandte sich Poirot an Dr. Leidner.
    Dr. Leidner nickte. «Ja. Die Schrift war zwar klein und verkrampft, nicht großzügig wie die von Louise, aber verschiedene Buchstaben waren genau gleich. Ich werde Ihnen einen Brief von meiner Frau zeigen.» Er holte aus seiner Brusttasche einige Briefe und reichte einen davon Poirot, der ihn sorgfältig mit dem anonymen Schreiben verglich.
    «Ja», murmelte er. «Es gibt verschiedene Ähnlichkeiten… die merkwürdige Art des ‹s›, ein eigentümliches ‹e›. Ich bin kein Graphologe – ich kann nichts Endgültiges sagen –, doch die Ähnlichkeit der Handschriften ist auffallend. Es scheint sehr wohl möglich, dass sie von ein und derselben Person stammen, es ist aber nicht sicher… wir müssen jedenfalls alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.» Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und sagte nachdenklich: «Es gibt drei Möglichkeiten. Die Erste besteht darin, dass die Ähnlichkeit der Handschriften reiner Zufall ist, die Zweite, dass diese Drohbriefe aus einem unbekannten Grund von Mrs Leidner selbst geschrieben wurden, die Dritte, dass sie jemand geschrieben hat, der Handschriften leicht nachahmen kann. Warum? Es scheint keinen Sinn zu ergeben, aber eine der drei Möglichkeiten muss die Richtige sein.»
    Er überlegte ein paar Sekunden, dann fragte er Dr. Leidner in seiner brüsken Art: «Als Sie das erste Mal die Möglichkeit ins Auge fassten, dass Ihre Frau diese Briefe selbst geschrieben habe, was glaubten Sie da?»
    Dr. Leidner schüttelte den Kopf. «Ich verwarf den Gedanken sofort wieder, ich fand ihn zu abscheulich.»
    «Suchten Sie nicht nach einer Erklärung?»
    «Natürlich. Ich dachte, dass

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