Mord in Mombasa: Thriller (German Edition)
jedes Grauen war. Während ihrer fünfzehnjährigen beruflichen Zusammenarbeit hatte der Inspector dem Pathologen so manche unsäglich zugerichtete Leiche auf den schmalen Metalltisch gelegt, Leichen, die für Jouma schon nicht mehr menschlich aussahen. Er hatte zwar so einiges zu sehen bekommen, aber es erschütterte ihn immer wieder, wie verletzlich ein Mensch war, verglichen mit Metall, Feuer oder wilden Tieren.
Für Christie war das alltäglich und nicht mehr der Rede wert.
Das Objekt, das nun auf seinem Tisch lag, war ebenfalls einmal ein Mensch gewesen, aber als Jouma zusah, wie der Reißverschluss des schwarzen Gummisacks aufgezogen wurde, kam ihm der Inhalt eher vor wie etwas, das man ein paar Tage nach dem Festtag des heiligen Zacharias in der Asche findet. Hinter seiner Atemschutzmaske zog er eine Grimasse und drückte sich noch ein bisschen weiter in die Ecke, wo er sich krampfhaft an einem Metallregal abstützte.
Christie stand über der Leiche und kratzte sich mit einem Gummihandschuh den Nasenrücken. »Was sagten Sie, wo wurde der gefunden?«
»Am Strand von Bara Hoyo.«
»Wann?«
»Heute Morgen.«
»Hm.« Christie untersuchte die Überreste und kommentierte seine Funde jeweils für Jouma. »Negroid, männlich, zwischen dreißig und vierzig Jahre alt. Die Haut zeigt Anzeichen schwerer Verbrennungen und auch längerfristiger Einwirkung von Salzwasser und Meereslebewesen. Der rechte Oberschenkel scheint von irgendeinem Tier angefressen worden zu sein.«
»Die Frau, die die Leiche entdeckt hat, hält sich einen wilden Eber.«
»Dann können wir ja von Glück sagen, dass überhaupt noch was übriggeblieben ist«, bemerkte der Pathologe. Er beugte sich vor und stupste den Torso mit dem Finger an. An seinem Gummihandschuh blieb ein schwarzer Fleck zurück. »Außerdem ist die Leiche mit einer zähflüssigen, schwarzen Schicht überzogen, schätzungsweise Öl oder Ähnliches. Schwere Verletzungen des Abdomens direkt über dem Becken, der Großteil der Organe aus der unteren Bauchhöhle fehlt. Rechter und linker Arm abgerissen, linkes Bein fehlt ganz, Kopf und Hals relativ intakt. Wissen Sie, wer das ist?«
Jouma war sogar ziemlich sicher, es zu wissen, aber er schwieg.
Christie griff nach seinen Instrumenten. Nachdem er den Brustkorb geöffnet hatte, untersuchte er das Innere mit seinen geschickten Händen. Dann sagte er: »Das Opfer ist nicht ertrunken.«
»Aha«, nickte Jouma. Es ist nicht ertrunken. Typisch Christie.
»In den Lungen befindet sich Meerwasser, aber es ist nicht aktiv eingeatmet worden«, erklärte Christie und hielt dabei etwas in die Höhe, was für Joumas Augen wie eine vergammelte Süßkartoffel aussah. »Wenn das Wasser eingeatmet wird, ergibt die Mischung aus Luft und Wasser eine ganz spezielle Flüssigkeit. Dieses Wasser ist einfach nur in die Luftröhre gelaufen.« Mit diesen Worten warf er die Lunge in eine Metallschale.
»Jetzt kann ich Ihnen nicht ganz folgen.«
»Ich vermute, das Opfer war schon tot, bevor es ins Wasser fiel.«
»Todesursache?«
Der Pathologe zuckte mit den Schultern. »Die ist in diesem Fall sicher sehr interessant, Jouma. Die Fische und der Eber haben zwar schon gründlich an der Leiche herumgeknabbert, aber die waren bei weitem nicht für all diese Verletzungen verantwortlich. Und wenn jemand mit einer Schiffsschraube in Kontakt kommt, sehen die Verletzungen einfach anders aus. Zum letzten Mal habe ich so etwas wie das hier in Angola gesehen, in den siebziger Jahren. Die UNITA hatte einem Richter eine Bombe unters Auto gelegt. Autobomben hatten Sie in letzter Zeit überhaupt keine, oder? Nein. Blöde Frage. In diesem Breiten ist die erklärte Lieblingswaffe ja die Machete.«
Es war in der Tat eine blöde Frage, und eine höchst taktlose obendrein, wie Jouma fand. Doch der Inspector hatte eine Theorie und wollte eine Bestätigung.
»Wie lange war der Körper im Wasser?«
»Das ist immer schwer zu sagen – aber nach dem Grad der Verwesung zu urteilen würde ich sagen, nicht länger als drei oder vier Tage.«
»Danke, Mr. Christie«, sagte Jouma. Er nahm seine Maske ab und steuerte erleichtert auf die Tür zu.
»Was soll ich denn nun damit machen?«, rief ihm der Pathologe hinterher und deutete mit gekrümmtem Finger auf die Leiche auf seinem Tisch.
Jouma drehte sich um. »Schicken Sie mir bitte Ihren Bericht, sobald Sie fertig sind.«
14
E s gab nur wenige Dinge, die Sergeant Nyami wirklich aufregten – aber wenn sich die Leute
Weitere Kostenlose Bücher