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Mord in Tarsis

Mord in Tarsis

Titel: Mord in Tarsis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Zugpferd, obwohl Hals und Schwanz ihn erheblich länger machten. Als ich ihn sah – und das, was er getan hatte –, verstand ich zum ersten Mal meine Torheit. Ich hatte davon geträumt, ich könnte einen Drachen mit einer Hand erschlagen. Es war eine höchst demütigende Erfahrung.
    Ich mußte entscheiden, was ich tun sollte. Weder von Boreas noch von unseren Pferden war eine Spur zu finden. Ich würde auf den Hängen frieren, und ich mußte wieder zu Kräften kommen, bevor ich die Berge verlassen konnte. Eigentlich war ich mir nicht einmal sicher, daß ich meine Wunden überleben würde. Aber ich war dorthin gekommen, um ein Drachentöter zu werden, und ich wollte einen Beweis für meine Tat. Mein Messer hatte ich noch, deshalb begann ich den Drachen zu häuten.«
    Er sah die beiden ernst an. »Es ist eine lange, harte Arbeit, einen Drachen zu häuten. Ich brauchte mehrere Tage, bis ich es geschafft hatte.«
    »Aber wovon hast du gelebt?« fragte Muschelring. »Hast du gejagt?«
    »Das brauchte er nicht«, sagte Nistur. »Er hatte Drachenfleisch.«
    »Richtig, und ich kann versichern, daß es sehr sättigend ist. Ja, durch das Drachenfleisch und das Wasser aus dem See bin ich erstaunlich schnell gesundet. Später erfuhr ich, daß dies die wahre Rache des Drachen an mir war, denn ich begann, wieder zu hoffen. Ich wußte noch nicht, daß meine Wunden tatsächlich tödlich waren. Das sollte ich erst später erfahren.
    Der Drache hatte in dem Kampf viele kleinere Wunden davongetragen, dazu zwei, die lebensgefährlich gewesen sein mußten. Eine war ein großer Schnitt in seiner Brust, die andere eine Stichwunde im Gaumen. Ich weiß nicht, welcher der tödliche Hieb war, und auch nicht, wer ihn ausgeführt hat. Eigentlich weiß ich nicht einmal, ob ich ihn überhaupt getötet habe. Vielleicht war es doch Boreas. Vielleicht habe ich mich all die Jahre selbst belogen.
    Als ich die Drachenhöhle durchsuchte, tauchte kein Schatz auf. Anscheinend hatte dieser noch keine Sammelwut entwickelt.« Er hielt die Hand hoch, an der der Ring glänzte. »Ich fand nur dies. Wahrscheinlich hatte er an der Hand eines der Opfer gesteckt. Sogar ich kannte seine Bedeutung, deshalb nahm ich ihn, weil ich das Gefühl hatte, daß mir der Ring eines Tages hilfreich sein könnte, was auch wirklich geschah.
    Schließlich hatte ich die Drachenhaut zu einem Bündel zusammengerollt. Ich wollte auch den Kopf mitnehmen, aber ich wußte, daß ich niemals in der Lage sein würde, das Gewicht zu tragen. Schon die Haut würde meine ganze damalige Kraft beanspruchen. Eines brachte ich nicht über mich: Ich konnte den Magen des Drachen nicht öffnen. Ich hatte Angst, ich würde dort die Überreste von Boreas finden.«
    »Ich kann verstehen, wie verlockend diese Aussicht war«, sagte Nistur. Muschelrings zorniger Blick brachte ihn zum Schweigen.
    »Lange hatte ich davon geträumt, als Held nach Hause zurückzukehren, um für den Rest meines Lebens bewundert zu werden. Jetzt hatte ich meine Drachenhaut, aber ich wußte, daß ich niemals heimgehen konnte. Ich war sicher, daß ich den Tod von Boreas verursacht hatte, dessen Vater ein einflußreicher Mann war und wegen dem ich zutiefst mit Schuld beladen war. Also nahm ich den Weg zur anderen Seite des Passes.
    Monatelang lief ich zu Fuß durch die Wildnis. Als mein Vorrat an getrocknetem Drachenfleisch erschöpft war, lebte ich von dem, was ich mit Fallen oder mit meinen Händen fangen, mit Steinen töten oder mit meinem Messer erlegen konnte, das ich an meinen Stab band. Hundertmal war ich in der Versuchung, die Haut liegenzulassen, denn es war ihr Gewicht, das mich so langsam machte, und manchmal konnte ich sie kaum noch tragen. Aber dann dachte ich wieder darüber nach, wieviel sie mich gekostet hatte. Und so schulterte ich sie erneut und zog weiter.
    Irgendwann stellte ich fest, daß ich aus den Bergen heraus und in eine Gegend mit fruchtbaren, bestellten Feldern gelangt war. In den Dörfern tauschte ich ein paar Drachenschuppen gegen Essen und Kleider ein. Die Leute sahen mich komisch an, und ich muß wirklich einen wilden Anblick geboten haben. Bestimmt hielten sie mich für verrückt, aber ein Verrückter, der eine Drachenhaut auf dem Rücken trägt, genießt überall Respekt. An einem Flußkai ließ ich mich gegen ein paar Drachenklauen zur nächsten Stadt mitnehmen, und dort fand ich einen Rüstungsmacher.«
    Er streckte seine langen Arme, um seinen Schuppenharnisch zu zeigen. »Der Rüstungsmacher hat

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