Mord in Thingvellir
Kapuzenkutten.«
»Ich höre mir dein Gekeife nicht länger an«, ruft Halldór und legt auf.
In den nächsten Stunden lässt mir das Telefon keine Ruhe. Die meiste Zeit muss ich mir für ein Gespräch mit Múhammed nehmen, der wegen des Zeitungsberichts am Boden zerstört ist.
»Nun ist für uns in Island alles aus«, sagt er enttäuscht.
»Alle denken, ich bin ein Mörder.«
»Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um aufzugeben«, antworte ich.
»Glaubst du denn, dass noch irgendjemand zu mir in die Werkstatt kommt, nachdem er das im Fernsehen gesehen hat?«, fragt er.
»Die Aufregung in den Medien legt sich auch wieder«, entgegne ich. »Es sei denn, sie finden etwas in der Werkstatt oder im Jeep, das sie direkt mit dem Mord in Verbindung bringen können.«
»Was zum Beispiel?«
»Gewebeproben etwa. Blut von Soleen oder so was.«
»Ich habe sie doch so oft mit dem Auto irgendwohin gefahren.«
»Aber doch wohl nicht blutend?«
»Nein, ich denke nicht.«
»Und sie kam ganz bestimmt nicht an dem Tag in die Werkstatt, als sie verschwand?«
»Ich habe es dir doch schon so oft gesagt, dass ich sie nicht mehr gesehen habe, seit ich an jenem Freitagmorgen zur Arbeit gegangen bin.«
»Dann sollten sie nichts finden, was sich nachteilig für dich auswirken könnte, nicht wahr?«
»Nur, wenn sie selbst etwas dorthin schaffen.«
»Mach dir darüber keine Gedanken.«
»Natürlich mache ich mir Sorgen«, antwortet Múhammed aufgebracht. »Endlich ging es uns gut in Island und dann geht alles den Bach runter. Soleen ist tot und die Polizei verfolgt mich. Warum straft Gott mich so?«
»Ich habe keine Ahnung von Gott.«
»Meine Frau weint den ganzen Tag, und ich kann nicht zur Arbeit fahren, weil die Polizei alles abgesperrt hat. Was soll ich tun?«
»Warten und hoffen.«
»Warten und hoffen?«, wiederholt er.
»Morgen früh werde ich beim Bezirksgericht einen Antrag auf Aushändigung aller Unterlagen stellen. Und es wird sich auch bald zeigen, ob sie etwas Handfestes in der Werkstatt oder im Auto gefunden haben. Du musst einfach abwarten und hoffen, dass sie völlig ratlos sein werden, wenn die Ergebnisse vorliegen.«
Múhammed seufzt tief.
Gegen Abend habe ich endlich meine Ruhe, um mich an den Computer zu setzen und den Antrag auf Aushändigung aller Unterlagen an das Bezirksgericht zu formulieren. Der Antrag ist eine absolute Notlösung, die manchmal Erfolg hat. Manchmal aber auch nicht.
Ich habe das ganze Wochenende lang gewissenhaft darauf geachtet, nicht über mein Liebesabenteuer von Samstagmorgen nachzudenken. Aber als ich kurz vor Mitternacht nackt unter meiner Bettdecke liege, schleichen sich die Erinnerungen an das Jungfrauenopfer aus der Tiefe wieder ein. Hinter geschlossenen Augen.
Thórdís ist kurz vor sieben nach Hause gegangen. Nachdem sie mir ihre Telefonnummer gegeben hatte.
Ich greife nach meinem Handy. Rufe sie an.
»Hallo. Hast du schon geschlafen?«
»Nein, ich, nein …«
Thórdís verstummt. Als ob sie überrascht sei, wieder von mir zu hören.
»Wie geht es dir?«
»Ich, also, ich will nicht darüber reden.«
»Bist du schon im Bett?«
»Es war ein großer Fehler, verstehst du, ich war so knülle und hatte keine Ahnung, was ich getan habe.«
»Das hast du sehr wohl gewusst.«
»Nein, so eine bin ich nicht.«
»Du warst in jeder Beziehung völlig normal.«
»Ich will das aber nicht, du sollst mich nicht mehr anrufen«, sagt Thórdís. Und beendet das Gespräch, bevor ich antworten kann.
Ich lache laut auf. Ganz unwillkürlich.
Bin mir ganz sicher, dass ich diese Ausflüchte nicht ernst zu nehmen brauche. Ihre Augen haben mir etwas ganz anderes gesagt.
Augen lügen nie.
Wenn die Neugier und die Lust stärker werden als die Furcht, kommt die kleine ängstliche Katze ganz bestimmt wieder auf meinen Arm geklettert.
Maunzend.
14
Dienstag, 24. August
Die englischen Schimpfwörter wurden gleich dreimal auf die graue Vorderfront und die Stahlschiebetüren der Werkstatt gesprayt. Mit knallroter Farbe:
Muslim devil!
Unter den eckigen Großbuchstaben steht in noch größeren Lettern:
Killer go home!
Als ich meinen Silberhengst kurz vor halb acht vor dem Hauptsitz von Toppautos parke, sind die Schwarzjacken von Kópavogur schon da.
»Gibt es hier Zeugen, die gesehen haben, wie dieser Schwachsinn fabriziert wurde?«, frage ich einen der beiden Streifenpolizisten. Ein Mann mittleren Altes mit gräulichem Haar und gutmütigen Augen erwidert:
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