Mord in Thingvellir
Mordfall im Ertränkungspfuhl erhalte.
Dann der Immobilienmakler, der das gelbe Ungeheuer im Ellidaárvogur verkauft oder vermietet. Es hat bestimmt noch niemand bei ihm angerufen und nach dem Gebäude gefragt. Jedenfalls stimmt er sofort meinem Angebot zu, die Räume für drei Monate zu mieten.
Mein Cousin Sindri kommt gegen halb vier zu mir.
Wir sind fast gleich alt. Haben uns als Kinder kennen gelernt, als meine Mutter mich zu einem Besuch bei ihrem Bruder auf die Westmänner-Inseln mitgenommen hat. Wo die Jungen sich über die lustig machen, die sich nicht trauen, sich abzuseilen. An einem dicken Seil zu hängen, das hoch oben an den Felsen befestigt ist, und dann an beiden Seiten die tief eingeschnittenen Felswände entlangzuschaukeln.
Die haben mich nur einmal ausgelacht!
Nach Mitternacht habe ich mich hinausgeschlichen. Habe die ganze Nacht geübt, zwischen den Felsen herumzuhüpfen. Obwohl ich tausende blaue Flecken und blutige Schrammen von den Felsen bekommen habe. Bis ich mich genauso gut wie die meisten Jungen abseilen konnte.
Ich brauche Sindris Spezialkenntnisse. Wie schon früher so oft.
Er ist ein Technikgenie par excellence. Und macht alles, worum ich ihn bitte. Zumal er blind daran glaubt, dass ich die Glücksfee in seinem Leben bin. Eine Art Elfenkönigin. Vor allem deshalb, weil ich ihm die kleine Cora vorgestellt habe. Das Mädchen von den Philippinen, die ich mitten in der Nacht in der Reykjavíker Innenstadt aufgelesen hatte. Weinend in einem rosa Bademantel.
Sie sind immer noch glücklich.
Aber er ist immer noch misstrauisch. Dieses Herzchen. Die hellgrauen Augen fixieren mich fragend, als ich ihm den Auftrag erklärt habe.
»Bist du sicher, dass das legal ist?«, fragt er.
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, das kannst du ruhig mir überlassen«, antworte ich und lächle schwach, um seine Sorgen zu zerstreuen. »Kannst du die Sache übernehmen?«
Sindri überlegt.
»Manche Geräte habe ich selber, andere muss ich kaufen«, entgegnet er schließlich. »Wann brauchst du das Zeug?«
»Am besten gestern.«
»Dann ist es wohl ratsam, wenn ich gleich loslege«, sagt er und steht auf.
Ich begleite ihn zur Tür. Gebe ihm viele Grüße an Cora mit auf den Weg. Küsse ihn auf die Wange. Wie immer.
Mein Handy klingelt schon wieder.
Es sind die Nachrichtengeier von Stöd 2. Ihnen liegen Fotos vor, die ein Passant von der Schmiererei auf den Wänden und Türen bei Toppautos gemacht hat. Sie wollen die Bilder in den Abendnachrichten bringen. Und verlangen von mir ein Interview über die Reaktion meines Mandanten.
Verdammte, aufdringliche Hunde!
Aber wahrscheinlich hat Múhammed nichts zu verlieren. Wenn man davon ausgeht, wie die Aktien jetzt stehen.
Ich beeile mich, nach Hause zu kommen. Korrigiere mein Make-up. Bürste mein blondes Prachtstück, bis sich meine Haare wie ein gleißendes Nordlicht um meine Schultern legen. Ziehe mein neuestes, rotbraunes Lederkostüm an. Und die kniehohen Stiefel in der gleichen Farbe.
Bleibe in der Diele stehen. Auf dem Weg hinaus angle ich meinen bunten Seidenschal vom Regal, das neben dem großen Spiegel hängt. Lege ihn locker um den Hals.
»Spieglein, Spieglein, an der Wand …?«
Grrr!
Am Abend sitze ich mit Jackie vor dem Fernseher, um mich an ihm festhalten zu können. Auf dem Wohnzimmersofa. Sehe mir mit gemischten Gefühlen die Nachrichten auf der Mattscheibe an. Sehe und höre mich selbst, wie ich mich über diese erbärmlichen Kreaturen aufrege, die es nötig haben, nachts durch die Stadt zu streifen und ihren kranken Hass auf andere auszukotzen. Kritisiere auch den Bezirkie von Selfoss wegen seiner Verantwortungslosigkeit. Die Information, die an die Presse durchgesickert ist, hat zweifellos dafür gesorgt, dass sich eine extremistische Person zu dieser Untat hat hinreißen lassen. Außerdem verstößt es gegen die gesetzlich geschützten Menschenrechte meines Mandanten, solche Behauptungen öffentlich zu zeigen, ohne dass entsprechende Beweise vorliegen.
»Wie hat der Vater auf diese Anschuldigungen reagiert?«, fragt der Nachrichtengeier.
»Múhammed hat von Anfang an immer wieder seine Unschuld beteuert«, antworte ich. »Das ist ein Mann, der seine einzige Tochter auf grausame Weise verloren hat und nur in Frieden um sie trauern will.«
»Willst du damit behaupten, dass es sich hier nicht um einen so genannten Ehrenmord handelt?«
»Es ist völlig verantwortungslos, den Tod dieses Mädchens mit solchen Taten in Verbindung
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