Mord in Thingvellir
das etwa an?«
»Natürlich nicht.«
»Oder bist du etwa genauso wie diese Jugendamtsweiber, die sich an Elendspornos aufgeilen?«
»Ich versuche nur, mir ein genaueres Bild zu machen.«
»Was für ein Bild?«
»Von Eddi Event-Ratte und seinen Helfershelfern.«
»Ich sage dir nichts über Eddi.«
Auf dem Weg in die Stadt zurück versuche ich immer wieder, Sigga dazu zu bewegen, sich mir anzuvertrauen. Aber sie bleibt verschlossen.
Ich parke am Hlemmur. Reiche ihr meine Visitenkarte.
»Denk über die Sache nach, und ruf mich an.«
»Bist du Anwältin?«
»Ja, deshalb kann ich dir auch helfen.«
»Will Fjóla Eddi verklagen?«
»Sie muss zuerst ihre Therapie beenden.«
»Eddi kennt jede Menge Jungs, die sagen werden, dass alles, was sie sagt, gelogen ist. Der wandert garantiert nie in den Knast.«
»Du weißt doch selbst, dass diese Art zu leben keine Zukunft hat.«
»Wo ist mein Fünftausender?«
Ich reiche ihr den Geldschein.
Sigga lässt die Visitenkarte im Sitz liegen. Knallt die Autotür hinter sich zu und stakst schnell über die Straße.
Ein hochgewachsener Kerl steht auf dem Bürgersteig vor der Spielhölle.
Er spricht Sigga an.
Sie unterhalten sich einen Moment. Bevor der Typ einen Blick über die Straße zu mir herüberwirft.
Da erkenne ich ihn wieder. Das ist der Junkie, der mir in der Drogenabsteige alles Mögliche angedroht hat, als wir Fjóla geholt haben.
Was für eine ekelhafte Gesellschaft!
Natürlich habe ich nicht erwartet, dass es einfach werden würde, die Mauer des Schweigens um Eddi Event-Ratte einzureißen. Aber irgendwo musste ich ja beginnen!
Ich werde Sigga ein paar Tage Zeit zum Nachdenken geben und sie wieder ansprechen. In der Zwischenzeit versuche ich es bei den Jungs, mit denen Fjóla am meisten zu tun hatte. Den Mittelsmännern. Gunni und Kalli.
Erst mal werde ich mich in Geduld üben. Einen Schritt nach dem anderen unternehmen. Und nie aufgeben.
»Der größte Triumphzug beginnt immer mit einem kleinen Schritt.«
Sagt Mama.
33
Die lautesten Stimmen kann ich bis auf den Parkplatz heraus hören. Nachdem ich meinen Silberhengst vor dem Hochhaus im Engihjalli abgestellt habe.
Offenbar findet eine aufgebrachte Versammlung im Eingangsbereich des Hauses statt, in dem die Familie Grebase in den letzten Jahren gewohnt hat. Es ist deutlich herauszuhören, dass einige Gemüter außerordentlich erregt sind.
Aber das ist nicht mein Problem.
Ich schlängele mich an den Teilnehmern vorbei, um zum Aufzug zu gelangen. Drücke auf den Knopf. Warte ungeduldig auf den Aufzug.
»Da ist sie!«, ruft eine dickliche Frau in einem langen schwarzen Kleid und zeigt mit zitternder Hand auf mich. »Das ist das Weibsstück, das dieses Ungeheuer im Fernsehen verteidigt hat!«
»Schämst du dich nicht?«, fragt ein älterer Mann mit schriller Stimme, der neben ihr steht. Er ist hager, hat einen dunklen Anzug an und einen hellen Rollkragenpullover.
Ich wende mich der Gruppe zu.
Stelle erstmal fest, ob sich Múhammed in diese Schlangengrube gewagt hat. Aber ich kann ihn nirgendwo entdecken.
Gehe dann auf die Frau in Schwarz zu und frage:
»Hast du mit mir gesprochen?«
»Wie kann eine isländische Frau nur die Verteidigung für diesen ausländischen Kindermörder übernehmen?«, keift sie und beugt sich mit gekrümmtem Rücken vor.
»Ihr wisst doch genauso gut wie ich, dass Múhammed Grebase bisher keines Verbrechens angeklagt wurde.«
»Mir kann keiner weismachen, dass die Polizei ihn grundlos verdächtigt«, antwortet ein stattlicher Mann mit grauem Kurzhaarschnitt.
»Die Polizei weiß, dass er das Mädchen umgebracht hat«, ruft die Frau in Schwarz. »Warum darf er überhaupt noch frei herumlaufen und in diesem Haus wohnen? Wird nur darauf gewartet, dass dieser ausländische Wilde als Nächstes meine Enkelin tötet?«
Ihr Gesicht ist vor Erregung ganz verzerrt.
»Das ist doch Blödsinn«, antworte ich unwirsch.
»Du redest selbst Blödsinn.«
»Múhammed und Fadíma haben ihr einziges Kind verloren. Zeigt ihnen lieber Mitleid, als derart unfreundlich über sie herzufallen.«
»Misch du dich nicht ein, was wir tun oder lassen«, sagt der stattliche Alte. »Wir treffen unsere Entscheidungen allein.«
»Verschwinde von hier!«, keift der Hagere.
»Ich bestimme selbst, wann ich wohin gehe und brauche keine Erlaubnis von dir.«
»Wir wollen deinesgleichen nicht in unserem Haus sehen!« Er guckt seine Nachbarn der Reihe nach an und ruft aufgebracht: »Sollen wir sie nicht
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