Mord in Thingvellir
wahr?«
»Könnte er sie vernichtet haben?«
»Warum sollte er das tun?«
»Nein, ich meinte nur so.«
»Was weißt du über seine Fotos?«
Magnea zögert die Antwort hinaus.
»Bist du noch dran?«
»Ja, ja.«
»Und?«
»Ich weiß, dass Kalli eine Dunkelkammer im Geräteschuppen hatte«, sagt sie.
»Um Bilder zu entwickeln und zu vergrößern?«
»Ja, das hat er da gemacht, aber ich bin nie drin gewesen und weiß nicht, ob er auch Fotos dort verwahrt hat.«
»Siehst du bitte für mich nach? Und sagst mir Bescheid?«
»Ja, ist gut.«
»Hast du das Hotel schon geschlossen?«
»Die letzten Gäste fahren am Mittwoch.«
»Prima. Du meldest dich.«
Kurz vor seiner Mittagspause um zwölf ruft Ásleifur bei mir an.
»Diese Seite des Obduktionsberichts wurde zensiert, weil dort Informationen stehen, die zu Beginn der Ermittlungen nicht bekannt werden durften«, sagt er. »Aber ich finde es wichtig, dass du als Anwältin den kompletten Bericht erhältst, zumal du genau wie wir an die Schweigepflicht gebunden bist.«
»Natürlich.«
»Du kannst das Schriftstück jederzeit bei mir abholen.«
»Ich komme sofort.«
Mein Silberpfeil braust zwischen engmaschig aufgestellten Ampeln durch die alte Innenstadt. Am Arnarhóll vorbei, wo die grüne Statue von Ingólfur Árnason thront. Nur er allein. Als ob dieser nordische Landnehmer völlig allein gewesen wäre, als er im Jahre 870 nach Island gekommen ist.
Zum Teufel!
Wo zum Kuckuck ist die Statue von Hallveig Fródadóttir? Vor seiner Frau, die sich um ihr erstes Zuhause in Reykjavík gekümmert hat? Hat sie nicht gleichzeitig mit ihrem Typen Land genommen?
Das Büro von Ásleifur sieht genauso gepflegt aus wie er selbst. Auf dem Tisch liegt alles in Reih und Glied nebeneinander. Ebenso in den Bücherregalen, die mit auffällig vielen gebundenen Urteilsbüchern, Gesetzestexten und Nachschlagewerken bestückt sind.
An einer Wand hängt ein großes Foto. Ásleifur hockt neben einem toten Rentier. Er hat ein schweres Gewehr in der einen Hand, mit der anderen umfasst er das mächtige, vielendige Rentierbullengeweih.
»Ich habe diesen Koloss letzten Herbst erlegt«, sagt Ásleifur. »Mit meinem Lieblingsgewehr, einer Alpine Custom, Kaliber 264.«
Aus dem Fenster sieht man direkt auf die schneelose Esja. In hellen Herbstfarben.
»Tolle Aussicht«, sage ich.
»Ja, nicht wahr?«
Er reicht mir einen braunen Umschlag. Darin befindet sich die Kopie. Eine Seite.
Ich lese den zensierten Abschnitt genau durch.
Bei der Obduktion wurden winzige Blutpartikel unter drei Fingernägeln der Ermordeten gefunden. Es stellte sich heraus, dass sie zu einer anderen Blutgruppe als die der Ermordeten gehören.
Der Rechtsmediziner weist darauf hin, dass diese Blutpartikel möglicherweise vom Mörder stammen könnten. Wenn Soleen es gelungen sein sollte, ihn zu kratzen. Als sie um ihr Leben kämpfte.
»Habt ihr schon herausgefunden, zu wem diese DNA gehört?«
Ásleifur schüttelt den Kopf.
»Aber vermutlich habt ihr gewisse Personen durch Vergleiche bereits ausgeschlossen?«
»Das ist nur die Vermutung dessen, der die Leiche untersucht hat«, antwortet er. »Wir haben keine Beweise dafür, dass die Blutpartikel vom Angreifer stammen, und können daher auch niemanden ausschließen, selbst wenn die DNA desjenigen nicht mit dieser Probe übereinstimmt.«
»In den Unterlagen habe ich nichts über einen Vergleich gefunden.«
»Dann haben wir die entsprechenden Berichte offiziell noch nicht erhalten.«
»Es steht auch nichts darüber drin, dass ihr meinen Mandanten um eine Probe gebeten habt.«
»Nein, soweit ich verstanden habe, hat das Bezirksverwaltungsamt in Selfoss dies während der Ermittlung nicht beantragt.«
»Warum nicht?«
»Es wurde nicht für nötig gehalten.«
»Ach nein?«
»Flüchtlinge werden immer einer eingehenden ärztlichen Untersuchung unterzogen, wenn sie ins Land kommen. Das Erbgut aller der Familie Grebase befindet sich schon seit ein paar Jahren hier im Register.«
»Aber trotzdem muss das Einverständnis desjenigen eingeholt werden, dessen Gewebeproben verwendet werden sollen. Hat Múhammed diese Erlaubnis gegeben?«
»Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht in die Ermittlungen involviert und kann daher diese Frage nicht beantworten.«
»Wie dem auch sei, Hreggvidur hat meinem Mandanten eindeutig die Ergebnisse dieses Vergleichs verschwiegen. Hat er das getan, weil sich gezeigt hat, dass die Blutpartikel nicht von Múhammed stammten?«
»Ich bin
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