Mord in Thingvellir
Puzzles?
Vermutlich.
Ich rufe meinen Cousin Sindri an.
Die Kameras waren in dem gelben Ungeheuer seit August nicht mehr in Betrieb. Ich finde, die Zeit ist gekommen, sie wieder anzuschalten.
Natürlich habe ich keinen direkten Grund, den Einbruch in Klettur mit Thórdís, Eddi und dem Tresor in der Dunkelkammer in Verbindung zu bringen. Nur ein vages Gefühl, dass es da einen Zusammenhang geben muss.
Alles andere wäre ein merkwürdiger Zufall. Und daran glaube ich nicht.
»Ein Zufall ist oft nur ein maskierter Vorsatz.«
Sagt Mama.
37
Dienstag, 14. September
Die schlaue Snjófrídur wohnt auf Arnarnes.
Ihr Haus steht nur einen Steinwurf vom Strand entfernt, auf der nördlichsten Halbinsel, die zu der Stadt Gardabaer gehört. An dem Flecken war es mal in Mode, schicke Edelvillen für reiche Papasöhnchen hochzuziehen.
Ihr Ehemann hat das Haus vor einigen Jahrzehnten bauen lassen. Als er selbst noch bis über beide Ohren mit der Betriebsführung beschäftigt war. Lange bevor ihm in den Sinn kam, ins Gras zu beißen und Snjófrídur mit einem Schuldenberg zurückzulassen.
Sie war zu Hause, als ich sie frühmorgens anrief. Und war sofort bereit, mich zu treffen, noch bevor sie zur Arbeit fuhr.
Das Wohnzimmer ist geräumig und nobel eingerichtet, mit Möbeln im französischen Stil. Wie bei dem europäischen, blaublütigen Pack früher im neunzehnten Jahrhundert.
Sie selbst hat ebenfalls etwas von einer Königin. Sowohl was das Aussehen als auch ihr Verhalten betrifft. Sie ist groß und hält sich sehr gerade.
Ihre blonden Haare sind elegant gewellt. Und festgesteckt. Wie zu einer Art Krone.
Ich hatte gedacht, dass ich sie diskret nach einer möglichen Beziehung ihres Schwiegersohns zu Soleen befragen könnte. Aber stattdessen falle ich gleich mit der Tür ins Haus:
»Hat Árni Geir Soleen geschwängert?«
Snjófrídur hebt eine ihrer sorgsam gezupften Augenbrauen. Mit wohldosierter Verwunderung. Und guckt mich mit durchdringendem, prüfendem Blick an.
»Wie kommst du denn auf so einen Unsinn?«
Ich zeige ihr das Foto, dass ich bei Soleens Sachen gefunden habe.
»Warte mal«, sagt sie und steht auf. »Ich habe den Eindruck, dass es sich um den Teil eines Gruppenfotos handelt, das ich letztes Jahr habe machen lassen.«
Sie geht aus dem Wohnzimmer. Kommt kurz darauf zurück und reicht mir ein Foto in einem versilberten Rahmen.
Die Familie Grebase mit ihren isländischen Rettern.
Soleen, Múhammed und Fadíma stehen im Vordergrund. Múhammed in der Mitte. Seine Frau und seine Tochter links beziehungsweise rechts von ihm.
Hinter ihnen stehen die smarte Snjófrídur, Ingunn, ihre Tochter und Árni Geir. Der Schwiegersohn.
Alle sehen fröhlich aus und schauen lächelnd in die Kamera.
Das Foto, das im Tagebuch versteckt war, wurde offensichtlich aus einem solchen Gruppenfoto herausgerissen. Soleen hat damit sich und Árni Geir von allen anderen getrennt. Als wären sie ein Liebespaar.
»Soleen hat dieses Foto versteckt«, sage ich.
»Ziehst du einen bestimmten Schluss daraus?«
»Immerhin den, dass Soleen Árni Geir angehimmelt hat.«
»Das kann schon sein. Jugendliche Mädchen schwärmen oft für Männer, ohne dass das zu einer Beziehung führt.«
»Aber warum legt er dann seine Hand in dieser Weise auf ihre Schulter?«
»In welcher Weise?«
»Als ob sie ihm gehören würde.«
Snjófrídur betrachtet den Fotoausschnitt genau.
»Das kann ich aus dem Bild nicht herauslesen«, sagt sie, nachdem sie eine Weile überlegt hat. »In Anbetracht der Tatsache, dass Ingunn direkt neben ihm stand, als das Foto gemacht wurde, bist du mit deiner Interpretation völlig auf dem Holzweg.«
»Ihre Körperhaltung lässt erkennen, dass sie sich gut gekannt haben.«
»Es ist kein Geheimnis, dass wir mit der Familie Grebase schon seit längerem gut befreundet sind. Deshalb habe ich mich ja auch für dich entschieden, damit du dich für ihre Interessen einsetzt.«
»Und gerade deshalb muss ich wissen, in welcher Beziehung Soleen und Árni Geir tatsächlich zueinander standen.«
»Dann sollten wir ihn das selbst klären lassen, das ist der einzige Weg.«
Snjófrídur schreitet würdevoll zu einem altertümlichen Telefon, das wie Zierrat auf einem kleinen geschnitzten Tisch steht. Unter einem Spiegel mit vergoldetem Rahmen.
Sie hebt den Hörer. Und ruft an.
Ich stehe an einem der großen Wohnzimmerfenster und blicke nach draußen, während sie spricht. Man guckt direkt aufs Meer, das bei guten Wetter ganz
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