Mord in Thingvellir
anzunehmen. Schreibe dem Immobilienmakler diesbezüglich eine E-Mail und weise ihn an, den Kaufvertrag so schnell wie möglich zur Unterschrift vorzubereiten.
Am Abend erlaube ich Jackie Daniels, mich zu umschmeicheln. Und versuche wieder einmal, mich in Soleen zu versetzen an jenem Freitag, dem 6. August.
Alles weist darauf hin, dass sie bei Árni Geir vergewaltigt wurde. Und dass sie sich nicht getraut hat, jemandem davon zu erzählen. Aus Angst vor ihrem Vater. Bis sie das Testergebnis vorliegen hatte und einsah, dass sie ihren Eltern eine Erklärung für die Schwangerschaft liefern musste. Früher oder später.
Ich misstraue Árni Geir noch mehr als vorher.
Vor ein paar Tagen hat er noch so getan, als könnte er sich nicht daran erinnern, in den letzten Tagen, die Soleen gelebt hat, eine SMS von ihr erhalten zu haben.
Das war gelogen. Árni Geir hat nicht nur an Soleens Todestag Textnachrichten von ihr erhalten. Sie hat ihn auch besucht.
Ich habe nur sein Wort darauf, dass Soleen sein Haus an diesem Abend lebend verlassen hat. Das könnte genauso gut eine weitere Lüge sein.
Schützt Árni Geir jemand anderen? Oder vertuscht er sein eigenes Verbrechen?
»Lügner haben eine verrottete Seele.«
Sagt Mama.
47
Dienstag, 21. September
Es geschehen noch Zeichen und Wunder!
Árni Geir hat sein Versprechen gehalten. Ist mit seinem Anwalt zu den Goldjungs gefahren, um eine DNA-Probe abzugeben. Mit dem Vorwand, er wolle Gerüchten vorbeugen.
Ich habe noch keine Kopie des Protokolls bekommen. Weiß also nicht, ob er ihnen auch von Soleens Besuch an ihrem Todestag bei ihm berichtet hat.
Halte das allerdings für relativ unwahrscheinlich.
Die Goldjungs haben mit Sicherheit noch nichts von Gunnhildur über die Vergewaltigung und den Besuch erfahren. Wenn man der Behauptung von Ásleifur Glauben schenken kann, dass es ihnen noch nicht gelungen ist, sie zu erreichen.
Andererseits lässt das Medieninteresse an dem Mord in Thingvellir nicht nach.
Weitere Politikusse sind in die Fußstapfen des Justizministers getreten und haben sich der Sache angenommen. Sie scheinen ebenfalls ihren Vorteil darin zu sehen, Angst und Misstrauen unter der Bevölkerung zu säen. Erwartungsgemäß in der Hoffnung, damit die Stimmen der Wähler fangen zu können, die fürchten, einen neuen Nachbarn ausländischer Herkunft zu bekommen.
Aber Grímur Rögnvaldsson ist trotzdem immer noch einer der Mächtigen, die sich öffentlich am drastischsten äußern. Er lässt keine Möglichkeit ungenutzt, um die Bürger vor Ausländern zu warnen, die eine ganz andere Einstellung zu Glauben, Menschenrechten, Gleichberechtigung und Demokratie haben als die Mehrheit des isländischen Volkes. In diesen Tagen landet seine Vorzeigefamilie auch unglaublich oft auf den Nachrichtenseiten der Zeitungen. Mit einem fröhlichen Wahllächeln auf den Lippen.
In einer Sache sitzt er jedoch in der Klemme. Manche Medien und ganz wenige Abgeordnete der Oppositionsparteien haben es öffentlich als Skandal bezeichnet, wie schlecht die Aufklärung des Mordes an Soleen voranginge. Und kritisieren, dass der Justizminister, der höchste Wächter über Recht und Gesetz des Landes, die Fehler seiner Untergebenen ungeahndet lässt.
Dieselben Leute wissen natürlich genau, dass sich ein Minister, entsprechend der Zuständigkeiten in Island, nicht direkt in die Ermittlungen eines Verbrechens einmischen darf.
Aber geübte Improvisationskünstler unter den Politikern haben sich noch nie von unbequemen Fakten aus dem Konzept bringen lassen. Was ein Grund dafür ist, dass ehrliche Politiker seltener zu finden sind als Kernwaffen im Irak.
Trotzdem haben manche versucht, diesen unsachlichen Angriffen auf Ausländer Paroli zu bieten. Und ihre Mitmenschen aufgefordert, weiterhin eine multikulturelle Gesellschaft in Island zu unterstützen.
Zu dieser Gruppe gehört auch die Dachorganisation aller Studierenden. Sie haben eine offene Bürgerversammlung unter dem Motto »Stellungnahmen zur Ausländerfrage« anberaumt. Ich habe dem inständigen Bitten der Veranstalter nachgegeben, einen der drei Vorträge auf der Versammlung zu halten. Möchte die Möglichkeit nutzen, um Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was manchmal im Eifer des Gefechts gerne vergessen wird:
Alle, die nach Island ziehen, haben das gleiche Recht wie die hier geborenen Isländer auf Schutz durch das Gesetz und die Achtung ihrer universalen Menschenrechte. Unabhängig von Staatsangehörigkeit, Glaube oder
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