Mord in Thingvellir
bringen, sich zu beruhigen«, sagt er. »Sie war völlig außer sich, weil sie vor der Reaktion ihres Vaters Angst hatte. Ich konnte natürlich verstehen, dass sie sich irgendeine Entschuldigung zurechtlegen musste, aber ich sagte ihr, dass es zu weit ginge, einen Unschuldigen wegen Vergewaltigung zu verklagen.«
»Das wird sie bestimmt sehr erfreut haben«, antworte ich höhnisch.
»Ich bot ihr auch an, ihr bei einer Abtreibung zu helfen und dafür zu sorgen, dass ihre Eltern nie von der Schwangerschaft erfahren würden.«
»Und wie hat sie reagiert?«
»Von dem Vorschlag war sie auch nicht begeistert, hat mir aber am Ende versprochen, diese Möglichkeit zu überschlafen.«
»Wie endete euer Gespräch?«
»Soleen traute sich nicht, nach Hause zu gehen, bevor sie sich nicht wieder erholt hatte, denn Múhammed und Fadíma hätten ihr sofort angesehen, dass etwas Schlimmes passiert war. Deshalb habe ich ihr erlaubt, noch hierzubleiben und sich zu entspannen, während ich zu einigen Besprechungen fuhr. Als ich kurz vor Mitternacht wieder nach Hause kam, war Soleen gegangen.«
»Ermordet meinst du wohl.«
»Ich habe keine Ahnung, wo oder wie es passiert ist.«
»Aber du hast den Goldjungs gegenüber wissentlich eine falsche Aussage gemacht. Das ist ein gravierendes Vergehen.«
»Ich habe keinen Grund gesehen, von dem Besuch zu berichten, denn das hätte den Verdacht auf mich gelenkt, noch dazu für ein Verbrechen, mit dem ich nichts zu tun habe. Ich muss an meinen Ruf in der Finanzwelt denken, wo der Erfolg vor allem vom Vertrauen untereinander abhängt.«
»Wie heldenhaft von dir.«
»Ich war und bin überzeugt davon, dass Soleens Besuch bei mir nichts mit dem Mord zu tun hat und es deshalb auch unnötig war, ihn zu erwähnen.«
»Warum bist du so sicher, dass dieser Freund von dir keinen Kontakt zu Soleen aufgenommen hat, nachdem du gegangen bist?«
»Weil ich ihm uneingeschränkt glaube.«
»Hat er dir gesagt, dass er keinen Kontakt zu ihr hatte?«
»Ja. Ich habe ihn sofort angerufen, als ich erfahren habe, dass Soleen in Thingvellir tot aufgefunden worden war.«
»Also hattest du den Verdacht, dass er Soleen an diesem Abend getroffen hat?«
»Nein, überhaupt nicht.«
»Warum hast du ihn dann gefragt?«
»Ich wollte nur die Bestätigung für das, was mir sowieso schon klar war.«
»Was sollte er denn bestätigen?«
»Dass dieser schreckliche Vorfall mit ihm überhaupt nichts zu tun hat.«
»Und er hat es dir gegenüber telefonisch bestätigt?«
»Ja, ohne Vorbehalt.«
»Ich möchte mit ihm sprechen.«
»Du wirst ihn wohl ohne meine Hilfe finden müssen.«
»Und was ist mit dir? Hast du bei den Goldjungs eine DNA-Probe abgegeben?«
»Ich habe bisher keine Zeit dafür gehabt.«
»Keine Zeit?«, wiederhole ich entrüstet.
»Ich war im Ausland.«
»Jetzt bist du aber wieder zu Hause.«
»Aber es gibt doch eigentlich keinen Anlass, dass ich die Initiative dazu ergreifen sollte.«
»Ich kann ihnen gerne einen Anlass geben, um eine Probe anzufordern.«
»Wir unterhalten uns im Vertrauen.«
»Nur, wenn du dein Versprechen hältst.«
Er nickt. Widerstrebend.
Auf dem Weg nach draußen fällt mein Blick auf ein großes Foto am Treppenaufgang. Darauf sind sechs ausgelassene Jungs zu sehen. Alle haben eine halbleere Schnapsflasche in der Hand und schneiden lustige Grimassen in die Kamera.
Ich erkenne Árni Geir, Ásleifur und Grímur sofort. Sie stehen in der Mitte der Gruppe.
»Was ist denn das für eine Clique?«, frage ich.
»Wir haben viel zusammen herumgehangen, als wir auf dem Gymnasium waren«, antwortet Árni Geir. »Das Foto wurde zu Beginn der Abschlussklasse gemacht.«
»In der guten alten Zeit.«
»Ja, da war was los!«
»Und aus allen sind angesehene Bürger geworden, oder was?«
»Ja, sieht ganz so aus! Grímur ist Abgeordneter und Minister, Haraldur einer der wichtigsten Staatssekretäre des Premierministers und Ásleifur ein Ranghoher bei der Staatspolizei. Alfred, Gudmundur und ich sind in der Wirtschaft erfolgreich.«
Als ich in mein Büro zurückkomme, wartet ein erhöhtes Angebot für das Grundstück im Osten auf mich. Klettaból hat das Kaufangebot auf fünfundachtzig Mille erhöht. Und sich die Unterstützung der Landsbanki gesichert, um den Kauf zu finanzieren.
Die GmbH bietet an, alle Schulden des Hotels zu übernehmen und den Rest des Kaufpreises in neun Monatsraten zu zahlen. Was fünfundzwanzig Mille auf den Tisch bedeutet.
Ich beschließe, das Angebot
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