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Mord in Thingvellir

Mord in Thingvellir

Titel: Mord in Thingvellir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Blómkvist
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Andrés sucht immer noch nach einer Arbeit auf dem Festland.
    Ihre blonden Haare sind wieder gewachsen. Aber sie trägt trotzdem noch einen Kurzhaarschnitt. Und ihr Gesicht ist ungeschminkt.
    »Ich versuche, nicht über die Vergangenheit nachzudenken«, sagt sie, als wir bei einer dampfenden Tasse Kaffee in der Küche sitzen. »Für mich ist jeder Tag, den ich überstanden habe, ein Sieg. Wenn ich abends schlafen gehe, ohne der Sucht nachgegeben zu haben.«
    »Da hast du ganz Recht«, sagt Andrés. »Das ist ein großer Sieg.«
    »Papa hat seinen Glauben, und ich weiß, dass er ihm sehr hilft.«
    »Aber du nicht?«, frage ich.
    »Nein, ich habe nicht so ein Glück.«
    »Noch nicht«, meint er.
    »Ich kann einfach nicht glauben, dass ein guter Gott das alles hat geschehen lassen, was mir passiert ist«, sagt Fjóla.
    »Wenn es Gottes Wille war, wie kann er dann gut sein?«
    »In deinem Alter habe ich die gleichen Fragen gestellt.«
    Andrés gefällt offensichtlich die Wendung nicht, die unser Gespräch nimmt. Er wendet sich mir zu und fädelt ein neues Thema ein.
    »Ich habe heute Morgen in den Zeitungen gelesen, dass du sehr gefragt bist«, sagt er.
    »Wovon sprichst du?«, fragt Fjóla.
    »Stella nimmt morgen Abend an einer Bürgerversammlung mit dem Justizminister teil. Ich habe die Ankündigung im Morgunbladid gesehen.«
    »Du bist aber mutig«, sagt Fjóla. »Ich würde mich nie trauen, öffentlich auf einer Versammlung zu sprechen.«
    »Warte mal, Liebes«, fährt Andrés fort und steht auf. »Ich hole schnell die Zeitung.«
    Fjóla lehnt sich vertraulich zu mir herüber, nachdem ihr Vater ins Wohnzimmer gegangen ist.
    »Ich weiß, dass Papa wahnsinnig wütend ist und will, dass ich Eddi Event-Ratte wegen der Dinge verklage, die er mit mir gemacht hat«, sagt sie.
    »Ja.«
    »Aber ich will das nicht. Ich möchte nicht mehr an all diese ekligen Sachen denken müssen, die passiert sind. Ich möchte alles so schnell wie möglich vergessen.«
    »Dein Vater will Eddi bestrafen. Verständlicherweise. Aber ich bin sicher, dass er nie versuchen wird, dich zu etwas zu zwingen, was du nicht willst.«
    »Okay.«
    Andrés kommt mit der neuesten Ausgabe des Morgunbladid wieder in die Küche.
    »Guck mal, hier ist ein Foto von Stella«, sagt er und breitet die Ausgabe auf dem Tisch aus. Da ist eine große Anzeige für die Bürgerversammlung abgedruckt. Unter der Überschrift Multikulturelle Gesellschaft: Kapital oder Risiko? wurden Bilder der Redner veröffentlicht.
    Fjóla schnappt nach Luft. Und hält sich die Hände vor den Mund.
    »Was ist los?«, frage ich.
    Sie antwortet mir nicht gleich. Guckt aber entsetzt auf die Anzeige in der Zeitung. Als ob sie einen schrecklichen Geist gesehen hätte oder ein fürchterliches Ungeheuer.
    Schließlich flüstert sie mit zitternder Stimme:
    »Das ist er.«
    »Was sagst du?«
    »Das ist er«, wiederholt sie und zeigt mit einem zitternden Zeigefinger auf das Foto des lächelnden Justizministers.
    »Das ist der Widerling, den ich zu Hause bei Eddi getroffen habe.«

48
    Mittwoch, 22. September
    Ich lade Raggi zum Frühstückskino ein. Bei mir zu Hause.
    Er zögert zu kommen. Weil er ja schon wieder im Dienst ist.
    Aber ich bemühe mich, ihn zu überzeugen. Obwohl ich mir nicht sicher bin, dass der Besuch den gewünschten Erfolg haben wird.
    Fjóla war gestern Abend sehr aufgewühlt, als sie das Foto in der Zeitung gesehen hat. Das Bild von dem Kerl, den sie zwei- oder dreimal monatlich bei Eddi Event-Ratte zu Hause getroffen hat. Der Typ, der sich ihre Liebesdienste für Drogen gekauft hat.
    Das Bild von Grímur Rögnvaldsson.
    Zuerst fiel es mir schwer, ihr zu glauben.
    Auch wenn Grímur früher zweifellos ein wildes Partyleben geführt hat, bevor er seinen Lebensstil radikal änderte. Er ist ein großer Fürsprecher christlicher Familienwerte. Ein verheirateter, zweifacher Familienvater. Ein einflussreicher Abgeordneter und Minister. Und der oberste Weisungsbefugte des Rechtswesens in Island.
    Aber Fjóla schien sich ganz sicher zu sein und war wirklich fertig, als sie das Foto des Ekels gesehen hat, das sie immer wieder im Schlafzimmer von Eddi Event-Ratte für ein paar Rationen Ecstasy entwürdigt hat. Ihre Abscheu war ganz eindeutig nicht gespielt.
    Also habe ich mich überzeugen lassen.
    Sie waren damals Freunde, Grímur und Eddi. Vor einem Jahrzehnt noch Kumpels auf Sauftouren. Deshalb ist es auch alles andere als abwegig, dass sie immer noch miteinander in Verbindung stehen.

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