Mord in Thingvellir
ganze Innenleben ist neu und sauteuer. Als ob alle Einrichtungsgegenstände und Möbel in einem Rutsch aus den namhaftesten Snobgeschäften der Hauptstadt angeliefert worden wären.
Er empfängt mich lächelnd. Aber seine Unterwürfigkeit spiegelt sich nicht in seinem Blick wieder. Der ist voller Misstrauen.
Da geht es ihm genauso wie mir. Ich traue ihm auch nicht.
»Zeig mir doch mal deinen Weinkeller«, sage ich ohne Umschweife.
»Hast du die Fotos davon in ›Schöner Wohnen‹ gesehen?«, fragt er stolz.
»Nein.«
Der Weinkeller ist ungefähr dreißig bis vierzig Quadratmeter groß.
Direkt gegenüber der Treppe befindet sich eine zwei Meter lange Bar aus rötlichem Hartholz. Vor dem Tresen stehen sechs dunkelrote Barhocker, und in der Mitte des mit Parkett ausgelegten Zimmers fünf Ledersessel an einem niedrigen Glastisch. Stabile Weinregale aus rostfreiem Stahl stehen an drei Wänden. Vom Boden bis unter die Decke.
»Na, wie gefällt sie dir?«, fragt Árni Geir.
Ich lehne mich an die Bar und schaue mich um.
»Ich habe keine Meinung zu diesem Raum, weder positiv noch negativ«, antworte ich trocken. »Ich wollte nur mal sehen, wo Soleen vergewaltigt wurde.«
Er zuckt zusammen. Das Lächeln verschwindet sofort, sein Gesicht versteinert.
»Von was für einer Vergewaltigung sprichst du eigentlich?«
Es misslingt ihm. das Zittern in seiner Stimme zu überspielen.
»Wage es nicht, mir auch jetzt noch was vorzumachen«, fauche ich.
»In meinem Haus ist niemand vergewaltigt worden.«
»Gunnhildur hat mir berichtet, was sich hier im Sommer abgespielt hat. Auf der Party, die du am vierten Juli gegeben hast. Hast du das etwa vergessen?«
»Jetzt pass mal auf«, antwortet er aufgebracht. »Soleen hat erst wesentlich später behauptet, dass sie auf der Party vergewaltigt worden wäre, und da konnte sie den vermeintlich Schuldigen nicht namentlich nennen.«
»Gunnhildur sagt, dass Soleen dir den Vergewaltiger beschrieben hat.«
»Sie hat einen Mann beschrieben, den sie hier getroffen hat, aber ich konnte das nicht ernst nehmen.«
»Warum nicht?«
»Ich wusste, dass das nicht wahr sein konnte.«
»Warum nicht?«, wiederhole ich.
»Es war einfach unmöglich.«
»Sie hat dann wahrscheinlich einen engen Freund von dir beschrieben, oder wie?«
»Ich kenne ihn schon lange, ja.«
»Wie heißt er?«
»Ich werde nicht die unverantwortlichen Anschuldigungen eines hysterischen Mädchens, das völlig außer sich vor Angst war, wiederholen, so dass andere davon erfahren.«
»Hast du diesen Freund kontaktiert? Um zu hören, wie er auf die Anzeige reagiert?«
»Anzeige? Soleen hat nie eine Vergewaltigung angezeigt.«
»Dann meinetwegen ihre Anschuldigung.«
»Ja, ich habe ihn angerufen, um Soleen zu beruhigen.«
»Um sie zu beruhigen? Hast du das am Freitag, den siebten August, getan? Abends um halb sieben? Während Soleen hier bei dir war?«
Er zögert.
»Also hat Gunnhildur dir auch von dem Besuch erzählt«, sagt er nach einer Pause.
»Ja.«
»Du solltest nicht alles für bare Münze nehmen, was sie so von sich gibt.«
»Was du nicht sagst!«
»Ich glaube, dass Gunnhildur mit Soleen gespielt hat.«
»Wie meinst du das?«
»Als die Party vorbei war, war Soleen völlig durcheinander. Sie wusste nicht, mit wem sie geschlafen hatte.«
»Du gibst also zu, dass jemand sie vergewaltigt hat?«
»Nein, ganz und gar nicht, aber es war eindeutig, dass sie mit jemandem Sex hatte.«
»Inwiefern?«
Das Thema ist Árni Geir unangenehm. Aber nur einen Moment.
»An ihrem Oberschenkel klebte Blut«, sagt er.
»Jungfrauenblut? Sie war also noch Jungfrau?«
Er zuckt mit den Achseln.
»Hast du versucht, ihr zu helfen?«
»Gunnhildur ist mit ihr ins Bad gegangen.«
»Waren alle anderen schon nach Hause gegangen?«
»Ja, und Soleen wusste nicht, mit wem sie geschlafen hatte. Deshalb fand ich es so unglaubwürdig, als sie wesentlich später zurückkam und behauptete, den Mann beschreiben zu können.«
»Es kann gut sein, dass sie sich wieder an ihn erinnert hat.«
»Ich glaube, dass Gunnhildur Soleens Verdacht auf jemanden gelenkt hat, den sie persönlich nicht ausstehen konnte.«
»Auf deinen Freund, den sie nicht leiden konnte?«
»Ja, aber ich wusste immer, dass das nicht sein konnte.«
»Was ist passiert, nachdem du deinen Freund angerufen hast, um Soleen zu beruhigen?«
Árni Geir nimmt in einem der schwarzen Sessel Platz.
»Nach dem Telefonat habe ich so gut ich konnte versucht, Soleen dazu zu
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