Mord in Thingvellir
Geschlecht.
Soleen wurde gestern zur letzten Ruhe getragen. Auf dem Friedhof von Grafarvogur. Aber nur Múhammed und Fadíma durften ihr zum Grab folgen.
»Das ist eine Privatangelegenheit von uns Eheleuten«, sagte Múhammed, als ich ihn darum bat, bei der Beisetzung dabei sein zu dürfen.
Eine dicke Fernsehwahrsagerin über fünfzig wurde heute morgen in einem Zeitungsinterview zitiert, dass Soleens Seele immer noch über Island schweben würde. Und dass sie keinen Frieden finden würde, solange ihr Mörder noch frei herumliefe.
Mannomann!
Múhammed ruft mich in der Kaffeepause am Nachmittag an. Aufgebracht und nervös wegen der Behauptungen, die in einer beliebten Labersendung im Radio vorgebracht und durch den Äther geschickt wurden. Von Leuten, die in der Live-Sendung angerufen haben, um ihre Meinung zu den aktuellen Themen in der öffentlichen Debatte zu äußern.
»Diese furchtbaren Angriffe auf mich und meine Familie gehen weiter«, sagt er. »Wie kann es sein, dass Hörer beim Radiosender anrufen und dem ganzen Land mitteilen dürfen, dass ich und mein Neffe Mörder sind? Kann man das nicht verhindern?«
»Hast du selbst diese Sendung gehört?«
»Ja, hier in der Werkstatt lief das Radio, als eine Frau während der Sendung anrief und fragte, warum die Polizei meinen Neffen nicht nach Island hat ausliefern lassen, weil er mir beim Töten meiner Tochter behilflich gewesen sein musste. Später haben mehrere Hörer angerufen, die dem zugestimmt haben. Ich finde es furchtbar, Fremde so im Radio über uns lügen zu hören.«
Ich fordere Múhammed auf, seine Ruhe zu bewahren. Rufe dann den Intendanten an. Erinnere ihn daran, dass es in unserem Land Gesetze gibt, nach denen üble Nachrede und Ehrverletzung strafbar sind.
Er spult die altbekannten Phrasen über Meinungsfreiheit ab, die sämtliche Verantwortungsträger in den Medien ständig bringen. Denen ich auch im Grunde genommen zustimme. Als ich um eine Aufnahme der Sendung bitte, um eine Klage vorzubereiten, verspricht er mir, mit dem Moderator zu reden.
Gegen fünf besuche ich den Immobilienmakler, um den Vertrag zu unterschreiben, der den Verkauf des Grundstücks und des Hotels Klettur besiegelt.
Björn auf Saeból ist im Auftrag der Teilhaber bereits eingetroffen. Er geht mit geöffnetem Jackett im Büro des Maklers auf und ab, streichelt seine Wampe mit beiden Händen und erzählt dreckige Witze, die ich überhaupt nicht lustig finde.
»Ach hör mal, meine Liebe«, sagt er dann und lacht großspurig, »gehört die lustige Witwe auch dazu?«
»Was für eine lustige Witwe?«
»Na, die Magnea!«
»Warum nennst du sie lustige Witwe?«
»Magnea ist eine Witwe, und sie ist doch wirklich gut drauf, das alte Mädchen.«
»Ich verkaufe keine Menschen.«
»Nein, nein, das war doch nur ein harmloser Witz, meine Gute.«
Oh Mann!
Ich lese den Vertrag durch. Wieder einmal. Bevor ich beide Ausfertigungen unterschreibe.
»Jawoll, das wär’s«, sagt Björn, als er den Vertrag mit seiner Unterschrift besiegelt. »Jetzt gehört Klettur endlich mir.«
»Erst ab 1. Januar«, antworte ich.
»Natürlich, natürlich.«
»Vor Weihnachten will ich nochmal in den Osten und die einzelnen Häuser und Gebäudeteile ausräumen. Das wird bestimmt ein feines Altjahresfeuer.«
»Ich will dir was sagen: Karl Blómkvist wollte mir nie das Hotel verkaufen, obwohl ich ihm oft damit in den Ohren lag«, fährt Björn fort. »Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten. Meinst du nicht auch, dass der alte Knabe durchdreht, wenn ihm klar wird, dass ich jetzt der Besitzer von Klettur bin?«
»Das glaube ich nicht«, antworte ich mit einem Lächeln. »Er ist tot.«
Björn verstummt.
»Ja«, sagt er wie zu sich selbst. »Ja, er ist wohl wirklich nicht mehr unter uns, der alte Knabe.«
Auf dem Rückweg fahre ich beim Smáralind vorbei. Um eine Kaffeemaschine für Andrés und Fjóla zu kaufen.
Die Angeltour in die südlichen Gefilde, wo der Karpfen sich herumtreibt, hat Andrés genug Scheinchen eingebracht, um sechs Monate Miete für eine Dreizimmerwohnung in Hafnarfjördur bezahlen zu können. Und um die notwendigsten Möbel zu kaufen.
Er ist fest entschlossen, mit seiner Tochter die nächsten zwölf Monate zusammenzuwohnen. Mindestens. Während sie lernt, ein eigenständiges Leben zu führen. Immer wieder einen Tag ohne Drogen zu überstehen.
Fjóla hat sich schon in der Oberschule der Stadt angemeldet und sich einen Wochenendjob in einem Supermarkt besorgt. Aber
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