Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)
will.
Ausgerechnet in diesen Tagen kommt es in der Augustinerstraße immer wieder zu nächtlichen Ruhestörungen: Aus dem Ungarischen Haus ertönt ein Poltern und Rumpeln, ein Schreien und Weinen, das die Mönche des schräg gegenüberliegenden Augustinerklosters veranlasst, die Fensterscheiben des gräflichen Domizils mit Tongefäßen einzuwerfen und Ruhe zu fordern. Als Elisabeth Báthory dann im Frühsommer mitsamt ihrer Gefolgschaft abzieht, kehrt endlich wieder Frieden ein. Ein trügerischer Frieden, wie sich bald herausstellt.
Folterexzesse mit Todesfolge
Den ganzen Sommer über sieht man in Wien nichts von der ungarischen Gräfin und ihrem Hofstaat. Als Ficzkó schließlich im Spätherbst wieder auf den Wiener Märkten auftaucht und nach dem Verbleib der vormals angeworbenen Dienstbotinnen befragt wird, erwidert er knapp, den Mädchen hätte es in Čachtice so gut gefallen, dass sie lieber dort geblieben wären.
In der Umgebung der Karpatenortschaft aber kursieren die schauerlichsten Gerüchte: Von schwarzer Magie ist die Rede, von schrecklichen Folterritualen an jungen Mädchen, und Elisabeth Báthory wird schon seit längerem hinter vorgehaltener Hand die „Blutgräfin“ genannt. Die Bauern des Umlandes weigern sich, ihre Töchter in den Dienst der Adeligen zu geben. Es finden sich nur noch allein stehende, von weit her kommende Mädchen, die zur Arbeit in der Burg bereit sind.
Als man den alten Ortspfarrer in schöner Regelmäßigkeit nötigt, bei Nacht und Nebel Bestattungen von unter mysteriösen Umständen verstorbenen jungen Frauen vorzunehmen, entschließt der Geistliche sich zu einer Vorsprache im Schloss. Doch Gräfin Báthory weist alle Verdächtigungen entrüstet von sich und droht dem Priester, der auch als Schlosskaplan fungiert, mit dem Entzug der kirchlichen Pfründe, falls er seine böswilligen Verleumdungen nicht augenblicklich einstelle.
Auch sein Nachfolger wird bald nach Amtsantritt mit den furchtbaren Vorgängen im Schloss konfrontiert. Der neue Schlosskaplan geht nun den Gerüchten auf eigene Faust nach. Er braucht nicht lange zu suchen, bis er in den Kellern der Burg eine Unzahl von einfachen Särgen mit übel zugerichteten Frauenleichen entdeckt. Aus vertraulichen Gesprächen mit den Knechten erfährt der Kaplan Details zu den perversen Neigungen der Gräfin. Geschockt unterrichtet er den Burgaufseher, und die beiden sehen es als ihre Pflicht an, dem Großpalatin und obersten Gerichtsherrn Ungarns, György Thurzo, Meldung zu machen.
Auch Matthias II., Erzherzog von Österreich und König von Ungarn, sind Informationen über Elisabeth Báthory zugetragen worden. Seine Majestät betraut Thurzo mit der genauen gerichtlichen Untersuchung der Vorwürfe. Dabei tritt das gesamte Ausmaß des Schreckens zutage: Báthory hat die angeworbenen Mädchen mit unbeschreiblichen Torturen zu Tode gequält. Auspeitschungen, Verbrennungen, Stiche mit Nadeln, Schnitte mit Scheren – es gibt kaum eine Foltermethode, die die sadistische Adelige bei ihren Opfern nicht angewandt hat. Abgesehen von Burg Čachtice werden auch in allen anderen Báthory-Wohnsitzen, insbesondere im „Ungarischen Haus“ in Wien, grässlich verstümmelte Mädchenleichen gefunden.
Etliche Zeugen schildern, wie die Gräfin einmal, nachdem sie ihre Gäste bei einem Bankett verabschiedet hatte, alle Zugänge zum Festsaal versperren und die anwesenden 60 jungen Dienstmägde durch ihre Helfer erwürgen und erstechen ließ. Dann riss sie sich die Kleider vom Leib und wälzte sich schreiend im Blut der Sterbenden. Bei anderer Gelegenheit schnitt sie jungen Frauen große Stücke aus dem Gesäß und zwang die Gepeinigten, ihr eigenes Fleisch zu essen. Näherinnen mussten, nachdem man ihnen die Fingernägel ausgerissen hatte, ihre Arbeit unter entsetzlichen Schmerzen fortsetzen. Während eisiger Wintertage fand Báthory Lust daran, weitere Opfer so lange mit Wasser übergießen zu lassen, bis diese zu Eis erstarrt waren. Im Sommer dagegen hetzten Hunde nackte und mit Honig bestrichene Mädchen durch den Wald, wo wilde Bienen und Wespen die Bedauernswerten sukzessive zu Tode stachen.
Mehr als 600 Mädchen soll Elisabeth Báthory bestialisch ermordet haben. Damit hält sie den unbestrittenen Rekord unter den Serienmördern.
Lebendig eingemauert
Während der gerichtlichen Erhebungen unter Großpalatin György Thurzo gibt die Gräfin ihre Taten unumwunden zu. Sie steht auf dem Standpunkt, dass sie als Adelige niemandem Rechenschaft
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