Mord inclusive
Wir wussten, das war ihre Chance, dass wir jemandem etwas abkauften, der ganz sicher einer ihrer Freunde war. Dagegen hatten wir nichts. Ich wollte unbedingt noch ein paar ägyptische Souvenirs erwerben, und sie hatte versprochen, mir beim Feilschen zu helfen.
Das Geschäft, das im dritten Stock direkt neben der Tür zum Sonnendeck lag, quoll über von Goldschmuck, kleinen Andenken, Pyramiden aus Plastik und geschnitzten Holzkästchen. Seidenschals in allen nur vorstellbaren Mustern hingen von Haken herab, einige silberfarbene Ständer brachen unter dem Gewicht der vielfarbigen Galabiyas fast zusammen. Über die meisten hätten Ägypter sich bestimmt totgelacht. Uns störte das überhaupt nicht. Während sich etwa die Hälfte der Gruppe in dem kleinen Raum drängte, warteten die Übrigen geduldig auf die Gelegenheit, ihrerseits an die Reihe zu kommen. Die Einzigen, die ich nicht sah, waren Jerry und Kathy, die sich wahrscheinlich in ihrem Zimmer um Kathys Knöchel kümmerten. Ich konnte mir ohnehin nicht vorstellen, dass Jerry auf einem Kostümfest auftauchte.
Der Verkäufer war ein rundlicher Ägypter mittleren Alters, der die nötige Geduld besaß und perfekt Englisch sprach. Anders als seine Kollegen auf den Märkten war er offenbar an amerikanische und europäische Touristen gewöhnt, hielt sich zurück und ließ uns nach Herzenslust in den Sachen wühlen. Für Nimmi und Lydia holte er Goldschmuck unter dem Ladentisch hervor. Als er sah, dass DJ den Kleiderständer durchsuchte, schaffte er von hinten eine passende schwarze Galabiya samt wallendem Kopftuch herbei und half DJ bei der Anprobe. Mit seiner dunklen Haut und seinem kräftigen Bauch wirkte er wie ein echter Wüstenscheich. Nimmi, die hilflos lachend dabeistand, entschied sich für ein knallrotes Gewand, das sie mit dem Klimpergürtel einer Bauchtänzerin kombinierte. Sofort machte sich DJ ans Feilschen.
Kyla fand eine fließende goldfarbene Galabiya, die eher wie ein wunderschönes Kleid wirkte. Sie streifte sie über ihre Sachen und schaute in den großen Spiegel. Die Farbe brachte den Glanz ihres Haares und das blasse Braun ihrer Haut noch besser zur Geltung.
»Das ist für dich perfekt«, sagte ich aufrichtig, wenn nicht sogar ein wenig neidisch. »Dazu brauchst du noch etwas Goldschmuck.«
»Darf ich dieses koptische Kreuz einmal sehen?«, fragte sie den Verkäufer und wies auf eine der Vitrinen.
Ich suchte meinerseits in den Kleiderständern herum. Mit Kylas goldenem Outfit konnte ich ohnehin nicht konkurrieren, daher hielt ich nach gedeckteren Farben Ausschau. Ich fragte mich, wie oft im Leben ich schon darauf verzichtet hatte, mich mit meiner Cousine zu messen. Ich schob die Sachen hin und her und entdeckte schließlich ein tiefes Blau. Ich überlegte. Zwar hatte der Stoff nicht dieselbe Qualität wie Kylas goldfarbenes Gewand, war aber auch nicht so teuer. Das gute Stück war mit einhundert ägyptischen Pfund ausgepreist, die, so rechnete ich kurz durch, etwa zwanzig Dollar entsprachen. Ich nahm es von dem Ständer. Anni trat zu mir.
»Oh, das ist sehr hübsch«, sagte sie. »Und wie finden Sie das?«
Sie nahm ein passendes Tuch von einem Haken und schlang es mir um den Kopf. Die kleinen falschen Goldmünzen an seinem Rand rahmten mein Gesicht ein. Sie zog mich vor einen Spiegel. Ich fand mich sehr rätselhaft und exotisch. Aber beim zweiten Blick schaute mir eine nicht mehr ganz junge Touristin entgegen, die sich gerade mit einem billigen Tuch zu verkleiden suchte. Ich schloss die Augen und öffnete sie wieder, um den Zauber zurückzuholen, entschied dann aber, dass dies keine Rolle spielte.
»Das nehme ich«, sagte ich und wollte zu dem Verkäufer gehen.
Anni schaute mich mitleidig an. »Nein, nein. Das dürfen Sie nie sagen. Passen Sie mal auf.«
Sie ging mit meinen Sachen zur Kasse und winkte dem Händler.
»Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick«, sagte der zu Nimmi, die gerade einige Stücke Goldschmuck bewunderte. Sie lächelte ihn zustimmend an, und er wandte sich erfreut Anni zu.
»Mr Elgabri, ich möchte Ihnen Miss Jocelyn Shore aus Amerika vorstellen«, sagte sie. »Sie ist eine ganz besondere Person und gehört dieser großen Gruppe an, die viele, viele schöne Dinge bei Ihnen erwerben wird.«
Ich lauschte Anni und bewunderte, wie sie ihn so ausgesucht höflich darauf hinwies, dass ich den besten Preis verdiente, und ihm zugleich unter die Nase rieb, dass ich zwar sehr hübsche Dinge ausgewählt hatte, diese aber
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