Mord inclusive
die grün und weiß in der Sonne leuchteten. In der Mitte war ein riesiger Baldachin über eine Bar und etwa zwanzig Klubsessel gespannt, der jenen großzügig Schatten spendete, die die Sonne nicht mehr ertragen konnten. Aber niemand machte Gebrauch davon. Hier und da hatten sich ein paar hartgesottene Sonnenanbeter auf den grün-weiß-gestreiften Liegestühlen niedergelassen und setzten ihr blasses Fleisch den Strahlen aus, andere hatten sich jedoch in ihre Badetücher gehüllt.
Ich spazierte bis zum Bug des Schiffes. Ein kleiner Swimmingpool in einer Ecke wirkte mit seinem türkisfarbenen Wasser und den sandgelben Holzbohlen wie eine Mini-Oase, doch bisher hatte noch niemand auch nur einen Zeh hineingetaucht. Wenn die Temperaturen in zwei, drei Wochen anstiegen, würde er ganz sicher von lärmenden Touristen umlagert sein.
Ich schaute über die Reling. Tief unten wirbelte das Wasser in sattem Blau bis schaumigem Grün am weißen Rumpf unseres Schiffes entlang. Das Ostufer schien näher, als es war – ein Streifen staubiges Grün, der sich gegen die Übermacht von Sand und Felsen zu behaupten suchte. Auf einem schmalen Saumpfad direkt am Ufer ritt ein Mann in einer grauen Galabiya auf einem kleinen Esel dahin. Seine Füße streiften fast den Boden. Mit einer dünnen Gerte klopfte er alle paar Sekunden leicht auf dessen Hinterteil. Trotzdem hatte der magere Junge, der ihnen zu Fuß folgte, kein Problem, mit ihnen Schritt zu halten. Die Nile Lotus zog ihre Bahn und ließ Mann, Junge und Esel bald hinter sich.
Gerade wollte auch ich mich in die Kabine zurückziehen, da sah ich, wie ein dürrer Arm mir vom Achterdeck heftig zuwinkte. Charlie de Vance rief mit einem Lächeln: »Könnten Sie uns bitte ein paar Badetücher bringen, Liebes?«
Ich lächelte zurück, bückte mich, nahm vier der flauschigen weißen Tücher von einem Stapel neben der Bar und brachte sie in die hinterste Ecke des Decks, wo die beiden wie gerupfte Hühner auf Liegestühlen saßen. Kaum zu glauben, dass sie Badesachen trugen, die für moderne Standards relativ wenig, aber doch noch viel zu viel von ihrer schlaffen, fleckigen Haut freigaben. Ein Anflug von Rosa, der auf einen früheren Sonnenbrand hinwies, bedeckte Charlies Brust unter schütterem weißem Haar, und an seinen dürren Schenkeln sah ich eine Gänsehaut. Yvonnes Finger waren bläulich angelaufen. Dankbar nahmen sie die Tücher entgegen.
»Wer hätte gedacht, dass es hier so frisch ist?«, brummte Charlie, legte sich ein Badetuch wie eine Stola um die Schultern und hüllte mit dem anderen seine Beine ein. »In der Wüste soll es doch immer heiß sein, liest man überall.«
»Bedenken Sie, dass es zur Zeit noch Winter ist«, antwortete ich. »Der Frühling kommt erst in etwa zehn Tagen. Jetzt haben noch die Archäologen Saison.«
»Aber bei den Pyramiden war es uns schon heiß genug.«
Yvonne streichelte seinen Arm. »Da war es geschützter, die Steine haben die Hitze gespeichert und den Wind abgehalten. Denk daran, wie kühl es in Sakkara war.«
Ich wollte mich gerade davonstehlen, um nicht in eine endlose Debatte über das Wetter gezogen zu werden. Charlie merkte das sofort und klatschte mit der Hand auf den Stuhl neben sich. »Setzen Sie sich doch noch ein wenig zu uns, Miss. Wir haben uns auf der ganzen Reise noch nie richtig mit Ihnen unterhalten.«
Am liebsten wäre ich über die Reling gesprungen, aber er hatte mich in der Falle. Charlie holte bereits tief Luft, um seine erste Frage zu stellen.
»Sie beide sind also auf Ihrer Hochzeitsreise?«, kam ich ihm rasch zuvor. Jetzt ging es vor allem darum, dass ich es war, die das Gespräch steuerte.
Er lächelte stolz und strich über Yvonnes Hand. »Na klar.«
»Wie haben Sie sich gefunden?«
»Auf unserem 50. Klassentreffen«, antwortete Yvonne mit einem zärtlichen Lächeln. »Wir kennen uns fast unser ganzes Leben lang. Bereits in der Highschool haben wir uns geliebt.«
Ich war gerührt. »Und haben sich nach so vielen Jahren wiedergetroffen? War es Liebe auf den ersten Blick?«
»Genau.« Sie schauten einander in die Augen. »Yvonnes Mann ist vor zwei Jahren gestorben. Als ich sie nach dieser langen Zeit wiedergesehen habe, war es wie damals in der Schule. Ich habe mich noch einmal bis über beide Ohren in sie verliebt. Das hübscheste kleine Ding, das ich je sah. Aber für mich war es gar nicht so einfach, meine Frau loszuwerden.«
Wenn ich jetzt etwas getrunken hätte, dann hätte ich mich bestimmt
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