Mord inclusive
»Uns ist tatsächlich nichts aufgefallen, zumindest mir nicht. Die Händler sind so aufdringlich, dass ich gar nicht zu ihnen hinschauen oder gar andere Beobachtungen machen mag. Sie wissen doch, wie es ist, wenn man sich in so einen Laden wagt.«
Ich wusste es nicht, aber ich nickte trotzdem, weil ich nicht zugeben wollte, dass ich bisher immer nur mit niedergeschlagenen Augen an all den Ständen mit den aufdringlichen Kerlen vorbeigelaufen war.
»Du und deine Verschwörungstheorien«, meinte Keith, jetzt schon versöhnlicher gestimmt. »Sieh mal, nur weil jemand, der gar nichts mit unserer Gruppe zu tun hat, irgendwo zu Tode gekommen ist, wo wir auch gerade waren, heißt das doch nicht, dass da irgendetwas läuft. Ich kann immer noch nicht glauben, dass Millie Owens Tod etwas anderes war als ein trauriger Unfall. Man liest doch immer wieder von Leuten, die sich unter den merkwürdigsten Umständen das Genick brechen.«
»Aber sie hat sich nicht das Genick gebrochen«, widersprach Dawn. »Alan sagt, sie sei erstochen worden.«
»Ach, dieser Alan!«, kam es höhnisch von Keith. »Was weiß denn der davon? Ich kann es dir sagen: Überhaupt nichts. Der macht sich doch nur wichtig und hört sich gern reden.«
»Das stimmt nicht, mein Lieber. Alan ist ein kluger Mann. Sehr gebildet.«
»Phhh«, schnaubte er. »Ich weiß gar nicht, warum der dir solche Sachen erzählt. Das soll er gefälligst lassen. Er ist einfach ein Wichtigtuer. Schlimmer als Millie ... Gott hab sie selig«, fügte er noch hinzu, weil ihm plötzlich klar wurde, dass er etwas Schlechtes über eine Tote gesagt hatte. »Alan fragt jeden aus und macht einen riesigen Rummel. Ich verrate dir was: Ich habe gesehen, wie Flora und Fiona in den Laden gegangen sind, etwa zehn Minuten bevor diese Französin zu kreischen anfing. Aber ich werde den Teufel tun und ihm das erzählen. Der hetzt sie dann noch zu Tode, die armen senilen alten Schachteln.«
»Halten Sie die für senil?«, fragte ich, um das Gespräch von Alan wegzulenken, auf den Keith offenbar eifersüchtig war. Vielleicht hatte Dawn ja schon öfter mit Bewunderung von ihm gesprochen.
»Natürlich sind die senil«, meinte Dawn, offenbar froh, einmal etwas gefunden zu haben, worin sie mit ihrem Mann übereinstimmte. »Klassische Demenz. Sehen Sie nur, wie konfus sie ständig sind, und überall kommen sie zu spät. Die scheinen überhaupt nicht mitzukriegen, was hier vor sich geht. Wie sie diese Reise gebucht haben, ist mir schleierhaft. Bestimmt hat das irgendein junger Verwandter für sie erledigt. Ich weiß, dass Fiona einen Sohn hat. Wir haben beim Essen über ihn gesprochen. Dem müsste man sagen, dass man die beiden nicht mehr allein auf eine Auslandsreise lassen kann. Was ist, wenn sie einfach verlorengehen?«
Vielleicht wollte der Sohn das ja gerade, dachte ich zynisch. Mit Ausnahme von Dawn Kim dachten wohl die meisten so.
»Aber insgesamt scheinen sie doch zurechtzukommen«, wandte ich halbherzig ein.
»Genau, das ist doch mein Reden«, meldete sich Keith. »Senil oder nicht, sie machen doch ihr Ding, und du solltest sie in Ruhe lassen.«
»Ich bin fünfzehn Jahre lang Krankenschwester gewesen«, erklärte sie mir. »Und ich sage Ihnen, die kommen nicht zurecht. Allein wie die riechen! Urin! Zumindest bei Flora.«
Ich hatte mich bisher stets von ihnen ferngehalten. Nun würde ich noch mehr darauf achten.
»Das ist ja schrecklich«, sagte ich aufrichtig.
»Da muss man doch was unternehmen.« Sie schaute von ihrem Ehemann zu mir, als wollte sie auf der Stelle losgehen und etwas tun. Ich zog mich eilig zurück.
Auf dem Rückweg zu den Kutschen machte ich mir selbst Mut. Mir reichte es jetzt. Ich konnte nicht Ägypten verlassen, ohne wenigstens einmal in einem Laden das Feilschen probiert zu haben. Ein dickes übelriechendes Bündel ägyptischer Pfunde lag in meiner Tasche, das musste ausgegeben werden. Ich ging etwas langsamer. Der Junge, der uns zuvor belästigt hatte, war nirgendwo zu sehen. Das enttäuschte mich ein wenig, denn ich dachte, dass so viel Eifer belohnt werden müsse. Also suchte ich aus der Ferne zu entscheiden, welcher Stand für meine Absicht geeignet sein könnte. Soweit ich sehen konnte, glichen sie einander alle wie ein Ei dem anderen. Überall Postkartenständer und grellbunte Kleider, die in der sanften, kühlen Brise schaukelten.
»Was machst du jetzt?«, fragte Kyla, die mich eingeholt hatte.
»Ich will etwas kaufen.«
»Sei nicht kindisch. Was
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