Mord inclusive
bauten ihre Stände jeden Tag ab, eilten uns voraus und erwarteten uns am nächsten Reiseziel.
Wir stiegen aus und bildeten hinter Hello Kitty unsere eigene Reihe, die sich ohne Halt durch das Zentrum schlängelte. Die Wände waren mit Zeitleisten und Fotos von Ausgrabungen bedeckt. Charlie wollte stehen bleiben und lesen, was uns hier erwartete, aber die anderen schoben ihn weiter. Sie konnten es nicht erwarten, die Gräber mit eigenen Augen zu sehen. Mit ein bisschen Schadenfreude sah ich, dass Kathys Schultern unter dem völlig unpassenden Trägertop feuerrot waren. Um sich so zu verbrennen, musste sie am Tag zuvor an Deck der Nile Lotus stundenlang in der Sonne gelegen haben.
Als wir das Besucherzentrum passiert hatten, stiegen wir in einen Minizug, wie sie häufig bei Volksfesten verwendet werden. Ächzend zog er uns eine recht steile schmale Straße zum Eingang des Hochtals hinauf, in dem sich die Gräber der Pharaonen befinden. Vor uns ragte ein Berg zum tiefblauen Himmel auf, den die Natur zu einer Pyramide geformt hatte. Überall wuchsen Felsen aus dem von weißem Staub bedeckten Grund, die immer höher und steiler wurden, je weiter wir kamen.
Schließlich stiegen wir aus, und Anni verteilte bunt bedruckte Eintrittskarten für drei Gräber.
»Nur drei?«, fragte Jerry Morrison ungläubig.
»Für mehr reicht unsere Zeit nicht«, erklärte Anni mit einem Lächeln. »Denken Sie daran, dass wir von hier zum Mittagessen und dann zu einer Alabasterwerkstatt fahren. Jetzt folgen Sie mir bitte. Ich zeige Ihnen, welches die interessantesten Gräber sind, und danach treffen wir uns wieder hier, um gemeinsam zum Bus zurückzufahren. Achten Sie bitte auf die Zeit. Wir haben zwei Stunden. Um zwölf Uhr Treffpunkt hier. Okay?«
Jerry und Tochter scherten sofort nach links aus, als fänden sie es ihrer unwürdig, einer Reisegruppe anzugehören. Kathy hinkte noch ein wenig.
»Die wären wir los«, murmelte Ben. »Vielleicht fallen sie in eine Grube.«
»Ben!«, zischte Lydia vorwurfsvoll.
Wir Übrigen folgten Anni gehorsam, die uns auf die berühmtesten Gräber hinwies. Das waren KV 17, das Grab von Sethos I., der den großen Tempel von Abydos errichten ließ. KV 11, das Grab von Ramses III., Ägyptens letztem großen Pharao. Und natürlich KV 62, Tutanchamun, der Knabenkönig, dessen Grab die archäologische Entdeckung des Jahrhunderts war und Dutzenden Filmen über Verwünschungen und Mumien als Anregung gedient hatte.
»Ich weiß, Sie alle wollen dieses Grab sehen, aber es ist wirklich nicht sehr eindrucksvoll. Drinnen finden Sie nichts mehr vor. Es ist sehr klein und leer«, sagte Anni ohne viel Hoffnung.
Ich fragte mich, ob sie wirklich glaubte, sie könne uns das ausreden. Um das berühmteste Grab der Welt zu sehen, würden wir alle warten, solange es eben nötig war. Wie wenig beeindruckend oder enttäuschend es auch sein mochte, wir hatten uns nicht auf diesen Weg gemacht, um am Ende an dem Ort vorüberzugehen, wo Howard Carter seinen Triumph gefeiert hatte, wo unvorstellbar reiche Schätze entdeckt worden waren und wo der Fluch einer Mumie seinen Ausgang nahm. In großer Einmütigkeit stapfte unsere gesamte Gruppe den staubigen Weg zum Eingang des Grabes des Tutanchamun hinab.
Zwanzig Minuten später waren wir schon wieder auf dem Rückweg. »Wir hätten auf sie hören sollen«, sagte Kyla. »Das war ja ziemlich dürftig.«
»War es nicht!«, protestierte ich. »Es war märchenhaft. Und wir mussten es einfach mit eigenen Augen sehen. Es war doch ziemlich cool. So klein und so gut versteckt. Das hat es über all die Jahrhunderte so sicher bewahrt.«
Es schien, als könnte ich Kyla nicht davon überzeugen.
»Und wohin jetzt?«
Ich schaute auf einen Flyer, den ich im Besucherzentrum mitgenommen hatte. »Zu Sethos I. Hier entlang.«
Wir gingen an mehreren Eingängen vorüber und schlossen uns einer Touristenschlange an, die langsam gegen einen rechteckigen Durchlass im weißen Felsen vorrückte.
»Warum müssen wir uns ausgerechnet hier anstellen?«, fragte Kyla ungeduldig. »Dort drüben sind mehrere Eingänge, wo keiner steht.«
»Das hat seine Gründe. Dies ist das längste Grab im ganzen Tal mit den meisten und schönsten Malereien. Außerdem ist es das von Sethos I.« Ich lächelte in mich hinein.
»Woher weißt du dieses ganze Zeug? Und wer zum Teufel ist Sethos?«
»Ich nehme doch an, du hast Die Mumie gesehen. Es ist der Kerl, der erstochen wurde. Der Dicke, der seine Geliebte malen
Weitere Kostenlose Bücher