Mord inclusive
kann sich mit Ägypten messen. Dies ist schon mein dritter Besuch, und diese Tour mache ich zum zweiten Mal.«
Alle blickten ihn überrascht an. Außer seinem leidenschaftlichen Ausbruch beim Horus-Tempel kam nun zum ersten Mal etwas mehr von ihm als ein freundliches Guten Morgen. Er war schon dreimal in Ägypten gewesen? Sehr interessant, aber ich fragte mich, warum man zweimal dieselbe Tour machen sollte. Da gab es doch noch so viel anderes in Ägypten zu sehen und zu unternehmen.
Als hätte er meine Gedanken erraten, fuhr Keith fort: »Man entdeckt jedes Mal etwas Neues. Letztes Mal hatte ich einen anderen Reiseführer. Anni ist viel besser, muss ich Ihnen sagen. Sie weiß entschieden mehr und organisiert sehr gut. Letztes Mal hatten wir einen Briten namens Raymond. Ich bin mir ziemlich sicher, er hat die Hälfte der Zeit den Reiseführer hergebetet und sich den Rest ausgedacht.« Er schüttelte den Kopf. »Freundlich war er allerdings. Und er wusste immer, wo die Bars zu finden waren.« Er musste lächeln, als er daran dachte.
Dawn zog die perfekt gestylten Brauen hoch und warf ihm einen eisigen Blick zu. »Ja, erzähl uns doch etwas mehr von der Hochzeitsreise mit deiner ersten Frau. Ich bin sicher, das interessiert uns alle.«
Keith erstarrte und lief puterrot an. Einen Augenblick herrschte peinliches Schweigen am Tisch, dann lachte DJ laut auf und schlug Keith auf die Schulter.
»Oh, Mann, das haben Sie ja toll hingekriegt. Laufen Sie weg, solange Sie noch können«, rief er. An allen Tischen drehte man sich nach uns um.
Nun lachten alle, selbst Dawn, obwohl ich nicht sicher war, ob sie das so amüsierte wie alle anderen. Aber es war ein gutes Stichwort zum Aufbruch. Ich konnte mir nicht verkneifen, noch einen Blick auf Jane, Ben und Lydia zu werfen. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt und redeten miteinander. Keiner lächelte dabei. Zu meiner Überraschung fanden wir bei der Rückkehr in unsere Kabine bereits einen Handwerker vor. Er schloss gerade die Tür des Safes.
»Guten Morgen«, sagte er freundlich. »Ich habe gerade Ihren Safe repariert. Es war nur die Batterie. Irgendwann sind die leer.«
»Wunderbar«, sagte Kyla.
»Vielen Dank«, fügte ich hinzu.
Rasch legten wir unsere Pässe und Wertsachen – auch die Halskette – in das kleine Fach, schlossen den Safe und liefen in die Lobby. Zum ersten Mal erschienen alle mehr oder weniger pünktlich. Selbst Flora und Fiona.
Für die Fahrt zum Tal der Könige brauchten wir eine knappe Stunde. Unterwegs fuhren wir an dem Haus vorbei, das Howard Carter in den Jahren gebaut hatte, als er das Grab von König Tutanchamun ausgrub. Das sandfarbene Gebäude auf einem Berg wirkte mit seinen Kuppeln und Bogenfenstern sehr exotisch. Die Mauern waren von verkrüppelten Bäumen gesäumt, die von dem hartnäckigen Streben der Menschen zeugten, sie durch Bewässerung am Leben zu erhalten. Denn nirgends in dieser erbarmungslosen Öde war Vegetation zu sehen. Ich weiß, dass die Briten damals in den Sommermonaten, wenn die Hitze aus der Wüste unerträglich wurde, Ägypten verließen. Selbst jetzt, Ende März, stieg die Temperatur bereits, und die Felsen warfen die Wärme zurück. Diese Bäume mussten von Anwohnern gepflegt werden.
Begeisterung packte mich, als die weißen Hügel zu beiden Seiten der Straße anstiegen und schließlich in flachen Felsen ausliefen. Löcher und Türen in dem weißen Kalkstein zeugten von kaum vorstellbaren Bewohnern in dieser ausgedörrten Gegend. Ob dies wohl Vorratskammern oder Wohnstätten waren, fragte ich mich und presste die Nase gegen das Busfenster. Drinnen verströmte die Klimaanlage eine leichte kühle Brise, es roch nach Polstersitzen und Gummi – unsere kleine Welt, eine Touristenblase. Sie beförderte uns in die Vergangenheit von Pharaonen, Mumien und Tod, die wir uns kaum vorstellen konnten.
Oder doch? Denn die Blase war real, und das Tal der Könige ruhte fest im 21. Jahrhundert: Ein riesiger Parkplatz, schon zu dieser Stunde halb gefüllt mit Reisebussen, breitete sich vor dem Zugang zum Tal der Könige aus. Dahinter folgte ein großes modernes Besucherzentrum, in dem bereits dicke, sonnengebräunte deutsche Touristen Schlange standen und die übliche Phalanx der Händler mit ihrem bedrückend großen und billigen Angebot von Kitsch aufgebaut war. Die Souvenirs waren bei jeder Sehenswürdigkeit die gleichen. Wäre es nicht unmöglich gewesen, hätte ich wetten können, dieselben zwanzig, dreißig Händler
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