Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
meiner Freunde belasten solltest.«
Meredith musterte Sara nachdenklich. Zum Kukkuck mit dem Freund oder der Freundin. Sara war in Schwierigkeiten und konnte sich nach dem ganzen Zirkus von vor drei Jahren ihrer Mutter nicht anvertrauen. Darüber hinaus fürchtete sie sich davor, daß Lazenby eine schlechte Meinung von ihr haben könnte. Meredith hätte mit Sara gern noch länger über Lazenby gesprochen, unterdrückte jedoch diesen Impuls. Sie wäre dann gefährlich nahe daran, sich einzumischen, und gerade davor hatte sie Sara im Hinblick auf ihre Mutter und Peter Russell selbst gewarnt. Im Grunde war ja auch nichts gegen Lazenby einzuwenden, außer daß er jung und von sich selbst überzeugt war und in ihr den Wunsch weckte, ihm eine zu knallen. Vielleicht hatte sie nur deshalb so gereizt auf ihn reagiert, weil sie von der langen, strapaziösen Fahrt mitgenommen war. Schlimmer noch, vielleicht maßte sie sich sogar unbewußt an, Mike zu vertreten.
»Geh ins Bett«, sagte sie laut. »Sieh zu, daß du deinen Schönheitsschlaf bekommst, und gönn mir meinen.« Sara sah so bekümmert aus, daß Meredith heftig hinzufügte: »Kopf hoch! Es wird schon nicht so schlimm werden!« und begriff, daß sie wirklich hundemüde sein mußte, um Sara so abzufertigen.
Wieder allein, legte sich Meredith ins Bett und blickte im Licht der Nachttischlampe zur Decke hinauf. Sie wollte das Licht nicht löschen, denn im Dunkeln tauchten gelegentlich Gesichter aus der Vergangenheit auf. Außerdem war sie inzwischen so müde, daß es eine zu große Anstrengung bedeutet hätte, die Lampe auszuknipsen. Auf dem Nachttisch lagen Zeitschriften, doch es waren keine dabei, die sie interessierten.
Als sie endlich genug Kraft gesammelt hatte, um das Licht auszuschalten, dachte sie, während sie in den Schlaf hinüberglitt: Schon zum zweitenmal war heute abend von Erpressung die Rede.
KAPITEL 4 Meredith wurde sehr früh – ihrem Gefühl nach war es noch mitten in der Nacht – vom Geräusch eines Motors geweckt, der draußen leise im Leerlauf tuckerte. Sie schlüpfte aus dem Bett und tappte zum Fenster, von dem aus man direkt auf die Zufahrt und das schmiedeeiserne Tor blickte, das von den Scheinwerfern des Fahrzeugs angeleuchtet wurde. Eine Gestalt lief durch den grellen Lichtkegel, und dann wurde in der nächtlichen Stille das ferne und sehr britische Geräusch von klirrenden Milchflaschen hörbar. Sie überlegte, wie der Milchmann wohl das geschlossene Tor überwinden würde. Er machte es ganz einfach, er schob eine Flasche nach der anderen durch die Gitterstäbe und ließ sie dann alle als einsames Häufchen auf der mit Kies bestreuten Zufahrt stehen. Irgend jemand, wahrscheinlich Lucia, würde später zum Tor hinunterlaufen müssen, um die Flaschen hereinzuholen. Der Milchmann stieg wieder in seinen Wagen – es war keiner von diesen langsam fahrenden, elektrisch betriebenen flachen Milchtransportern, sondern ein richtiger, seitlich offener Lieferwagen – und ratterte davon. Sie öffnete das Fenster, beugte sich hinaus und sah, daß die Scheinwerfer wieder zum Stillstand kamen. Der Milchmann belieferte offenbar auch Philip Lorrimer und den alten Bert. Dann bewegte sich das Scheinwerferlicht weiter und verschwand.
Im Osten begann der Himmel eben hell zu werden. Auf dem Friedhof gegenüber zwitscherten ein paar Vögel in den Bäumen. Meredith blickte auf ihre Armbanduhr. Viertel nach fünf. Sie ging wieder ins Bett, schlief aber nicht mehr ein. Verschiedene merkwürdige Geräusche erregten ihre Aufmerksamkeit, und sie versuchte, sie zu identifizieren, was ihr aber nur zum Teil gelang. Das Ächzen und Knarren kam von den alten Holzbalken des Hauses. Alan Markby – der geheimnisvolle Mr. Markby – hatte gesagt, im Holz sei die Trockenfäule gewesen, doch sei dagegen etwas getan worden. Einige der alten Balken mußten ersetzt worden sein, aber nicht alle. Die Bohlen in diesem Zimmer zum Beispiel waren ungleichmäßig und fielen leicht schräg ab, woraus man schließen konnte, daß es noch die ursprünglichen Bretter waren. Das hohl klingende, geisterhafte Gurgeln rührte, wie leicht auszumachen war, von der Installation her und gab ihr fast das Gefühl, wieder in ihrer eigenen Wohnung zu sein. Ein plötzliches Knacken von draußen mußte von einem Ast stammen, der von einem Friedhofsbaum abgebrochen war. Endlich drehte sie sich auf die Seite und fiel in einen unruhigen Schlaf. Als sie wieder erwachte, geschah es so plötzlich, daß ihr das Herz
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