Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
es ein großer Fehler gewesen hierherzukommen. Mikes Tochter plapperte hinter ihr unentwegt weiter, ohne daß sie viel von ihren Worten mitbekam. Sie hatte beinahe Angst, sich umzudrehen und das Mädchen anzusehen.
»Aber sie wollten sich wieder versöhnen.« Saras helle Stimme drängte sich in ihre Gedanken. »Mummy hat es mir erzählt. Sie hatten sich ausgesprochen und wollten es noch einmal miteinander versuchen.« »Ja«, sagte Meredith ausdruckslos.
»Aber es ist nicht mehr so weit gekommen, weil Daddy ermordet wurde. Das war schrecklich. Und so völlig sinnlos.«
»Ich erinnere mich«, sagte Meredith.
Als ob sie es je vergessen könnte. Eve hatte damals Hollywood-Ambitionen und zog mit Mike, der Arbeit als Drehbuchautor gefunden hatte, nach Kalifornien. Eve war nicht die erste, der Hollywood zu Kopf stieg. Selig stürzte sie sich in Partys und Intrigen, in flüchtige Begegnungen und Trennungen. Es war unvermeidlich, daß die Ehe in die Brüche ging. Ob die Tatsache, daß Mike sie eines Tages wirklich verlassen hatte, Eve wie ein Eimer eiskaltes Wasser traf oder ob nur ihr Stolz verletzt war, blieb unklar, sie war jedenfalls fest entschlossen, sich Mike zurückzuholen. Sie und Mike hatten zu der Zeit, jeder in seinem Metier, auf demselben Film-Set gearbeitet. Meredith erinnerte sich genau an Eves Brief. Mike und ich sehen einander so oft, daß es albern wäre, wenn wir uns scheiden ließen, vor allem da Mike Sara vergöttert. Wir wollen uns deshalb zum Abendessen treffen, uns richtig aussprechen und überlegen, ob wir es nicht noch einmal versuchen sollten. Ich bin sicher, diesmal wird es funktionieren.
Diese Versöhnung hatte nie stattgefunden. Eine Gewalttat, ebenso unvorhergesehen wie sinnlos, hatte sie verhindert. Mike war eines Abends nach Hause gekommen und hatte einen drogenabhängigen Jugendlichen auf frischer Tat ertappt, der seine Wohnung nach Geld oder leicht verkäuflichen Wertgegenständen durchwühlte. Der Junge war bewaffnet gewesen und hatte Mike erschossen. Einfach so. Später hatte er versucht, die Waffe zu verkaufen, um einen Fix bezahlen zu können, und das führte zu seiner Verhaftung und Verurteilung, obwohl er die Tat leugnete und behauptete, die Waffe in einer Mülltonne gefunden zu haben. Er hatte bereits mehrere Vorstrafen, weil er in Wohnungen eingestiegen war und Autos aufgebrochen hatte – er versuchte es überall, wo entweder Geld, oder etwas zu finden war, das er verkaufen konnte. Außerdem war bekannt, daß er sich in dem Gebäude aufgehalten hatte, in dem Mike wohnte. Der Junge war bei seinem Onkel, dem Hausmeister, gewesen und hatte ihn – allerdings vergeblich – um Geld gebeten.
»Es ist immer das gleiche Muster«, hatte der ebenso lebenserfahrene wie desillusionierte Polizeileutnant vom Morddezernat in Los Angeles, der den Fall bearbeitete, in seinem Bericht erklärt. »Irgendwann endet es immer damit, daß sie töten. Es passiert ständig.«
Nur daß es diesmal Mike passiert war. Nachdenklich betrachtete Meredith seine Tochter.
Als könne sie ihre Gedanken lesen, sagte Sara: »Ich sehe Mummy nicht sehr ähnlich, nicht wahr? Sehe ich aus wie mein Vater?«
»Ja, ein bißchen. Auf jeden Fall bist du ihm ähnlicher als deiner Mutter.«
»Hughie war gräßlich«, stieß Sara in einer plötzlichen Aufwallung hervor. »Ich weiß nicht, warum Mummy ihn geheiratet hat. Ob sie es getan hat, um über den Verlust von Daddy hinwegzukommen?«
»Wahrscheinlich.«
Eve war vor Schmerz außer sich gewesen, was vor allem auf den Schock über Mikes plötzlichen gewaltsamen Tod zurückzuführen war, wie Meredith vermutete. Aber ein Jahr später hatte sie einen superklug daherredenden, flott aussehenden Finanzberater geheiratet, dessen großartige Projekte hauptsächlich auf dem Papier oder in seinem Kopf existierten, was man jedoch zu spät entdeckte. Es war nicht leicht gewesen, ihn loszuwerden.
»Ich habe ihn immer gehaßt«, sagte Sara erbittert. »Er hat sie terrorisiert. Sie hatte wirklich Angst vor ihm. Bei der Scheidung hat er sich auch schrecklich benommen. Er hat Mummy einen Haufen Geld abgeknöpft, weißt du. Hinterher besaß sie kaum noch etwas.«
»Dann war’s ja ein Glück, daß sie Robert Freeman kennenlernte«, sagte Meredith und wünschte, sie hätte den Mund gehalten.
Aber Sara merkte nicht, wie zweideutig der Satz zu verstehen war. »Ja, das stimmt. Und mehr noch, Robert hat Mummy sehr gut versorgt zurückgelassen, sie ist jetzt richtig wohlhabend, und deshalb könnte sie
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