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Mord ist ihre Leidenschaft

Mord ist ihre Leidenschaft

Titel: Mord ist ihre Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Robb
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sich nur unmerklich verändert. Die Dächer der billig gebauten Häuser waren löchrig und die Fenster geborsten. Außer in dem handtuchgroßen Gärtchen, das von ein paar hoffnungsvollen Seelen neben dem Eingang des sechsstöckigen Gebäudes, in dem er einst gehaust hatte, angelegt worden war, sah man so gut wie nirgends eine Blume.
    Und der Duft der leuchtend bunten Blüten konnte weder den Gestank von Erbrochenem und Urin noch den Geruch der Verzweiflung, der wie ein dichter Nebel über dem gesamten Viertel lag, verdecken.
    Er wusste nicht, weshalb er in das Haus ging, doch plötzlich stand er auf dem klebrigverfleckten Boden des dämmrigen Foyers und starrte auf die abblätternde Farbe an den Wänden. Dort war auch die Treppe, die er einmal von seinem Vater mit Fußtritten hinuntergestoßen worden war, weil er die tägliche Quote an gestohlenen Brieftaschen nicht erfüllt zu haben schien.
    Natürlich hatte ich die Quote mehr als nur erfüllt, dachte Roarke verbittert. Aber was waren schon ein paar Tritte und ein Sturz, gemessen an den heimlich beiseite geschafften Pfunden? Sein Alter hatte viel zu viel getrunken und war obendrein schlicht zu blöd gewesen, um auch nur zu vermuten, dass sein geprügelter Sohn irgendetwas von der Beute tatsächlich für sich behalten würde.
    Doch genau das hatte Roarke so gut wie jeden Tag getan. Ein Pfund hier und ein Pfund dort hatten sich am Ende für den aufgeweckten, zielstrebigen Jungen hübsch summiert.
    »Verdroschen hätte er mich sowieso«, murmelte er jetzt und spähte die abgetretenen Holzstufen hinauf.
    Er hörte, das irgendjemand fluchte und ein anderer weinte. An Orten wie diesem gehörten diese beiden Geräusche ganz einfach dazu. Der Geruch gekochten Kohls drehte ihm fast den Magen um, und so floh er zurück in die stinkende Luft draußen vor dem Haus.
    An der Hauswand lehnte lässig ein blondschopfiger heranwachsender Junge in einer engen schwarzen Hose und ebensolchem Hemd und maß ihn mit feindseligen Blicken. Auf der anderen Straßenseite hielten ein paar Mädchen, die mit Kreide auf der Erde malten, in ihrer Beschäftigung inne, hoben ihre Köpfe und sahen ihn ebenfalls nicht gerade freundlich an. In dem Bewusstsein, dass auch andere Augen aus den Fenstern und Türen jeden seiner Schritte verfolgten, ging er an ihnen vorbei.
    Ein Fremder in teuren, frisch geputzten Schuhen war eine Seltenheit und gleichzeitig eine Beleidigung für die Menschen hier.
    Der Junge rief ihm etwas Zorniges auf Gälisch hinterher. Roarke drehte sich um und sah ihm in die Augen. »Ich biege gleich da vorne um die Ecke«, erklärte er ebenfalls auf Gälisch und merkte, dass ihm die Sprache leichter als erwartet über die Lippen kam. »Vielleicht willst du ja dein Glück bei mir versuchen. Ich bin gerade in der Stimmung, jemandem wehzutun. Weshalb also nicht dir?«
    »In der Gasse da hinten sind schon viele Männer gestorben. Weshalb also nicht du?«
    »Dann komm mit.« Roarke lächelte schmal. »Es gibt Leute, die behaupten, ich hätte dort, als ich halb so alt war wie du, meinem Vater die Gurgel durchgeschnitten und ihn abgeschlachtet wie ein Schwein.«
    Der Junge verlagerte sein Gewicht und die bisherige Verachtung, mit der er den Fremden gemustert hatte, wich ehrlichem Respekt. »Dann müssen Sie Roarke sein.«
    »Der bin ich. Wenn du mir heute aus dem Weg gehst, wirst du eventuell alt genug, um noch Kinder zu zeugen und aufwachsen zu sehen.«
    »Ich haue ab aus diesem Drecksloch«, rief ihm der Junge hinterher. »Genau wie Sie haue ich ab und laufe nur noch in den allerfeinsten Klamotten durch die Gegend. Aber ich will verdammt sein, wenn ich dann je noch einmal einen Fuß in diese Ecke setze.«
    »Das habe ich auch lange gedacht.« Seufzend bog Roarke in die stinkende Gasse zwischen den eng stehenden Gebäuden.
    Der Recycler war kaputt, war schon kaputt gewesen, als er als Junge hier herumgelaufen war. Wie üblich war der Müll auf dem Asphalt verstreut. Der Wind peitschte durch sein Haar und seinen Mantel, als er auf die Stelle starrte, an der sein Vater tot aufgefunden worden war.
    Er hatte ihn nicht erstochen. Oh, er hatte durchaus davon geträumt. Immer, wenn er sich von ihm hatte schlagen lassen müssen, hatte er stumm geschworen, sich früher oder später für jeden Hieb zu rächen. Aber er war erst zwölf gewesen, als sein Vater seinem Mörder begegnet war. Zu dem Zeitpunkt hatte er noch niemanden getötet.
    Später hatte er dieses elendige Loch tatsächlich hinter sich

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