Mord ist schlecht fürs Geschäft
blauer Lieferwagen für Fensterglas konnte ihnen gerade noch ausweichen. Der Fahrer brüllte etwas von einem neuen Führerschein. Dohertys Fahrweise schien derlei unhöfliche Kommentare geradezu magisch anzuziehen.
Sie erreichten ihr Ziel viel zu schnell. Honey hatte des Gefühl, dass ihr das Herz irgendwo in die Nabelgegend gerutscht war, und hielt sich zurück. Sie war schon ausgestiegen und wartete auf Doherty.
Zwei uniformierte Polizisten standen draußen Wache. Sie nickte ihnen kurz zu. Die beiden grüßten zurück und beäugten Doherty, während er aus dem Wagen kletterte.
»Aha, er ist zu Kreuze gekrochen« sagte der eine.
»Musste er«, erwiderte der andere. »Wenn er je wieder einen Mordfall untersuchen will.«
»Wo ist er zu Kreuze gekrochen?«, erkundigte sie sich.
Die beiden lachten leise. Sie hatte eine Vorahnung, was die Antwort sein würde. »Hier«, sagte sie und tippte sich auf die Brust.
Inzwischen war Doherty gekommen, und die beiden verkniffen sich die Antwort.
Sie fühlte sich verletzt, war aber wild entschlossen, die Sache durchzuziehen. Sie stand geduldig daneben, während er klingelte. Worauf hatte sie sich da bloß eingelassen?
Sie war noch nie am Tatort eines Verbrechens gewesen. Hoffentlich hatten sie den Toten schon ins Leichenschauhaus abtransportiert. Ein Schreck am Tag war mehr als genug.
»Der Klingelknopf ist aber schön poliert«, sagte sie.
Doherty schaute sie ungläubig an.
»Menschen machen wie verrückt sauber, wenn sie nervös sind oder einen Schock erlitten haben.«
War das nicht etwas, das ihre Mutter immer sagte? Sie jaulte innerlich auf.
|176| Je älter sie wurde, desto klarer wurde ihr, dass eine Generation immer das Gepäck – und die weisen Sprüche – der vorherigen übernahm.
Loretta machte ihnen die Tür auf. Sie war gekleidet wie eh und je. Keine Spur von einer schwarzen Armbinde. Auch die Wangen waren rosig, und ihre zahlreichen Ringe blitzten, als sie die Tür wieder schloss.
»Ma ist hinterm Haus«, sagte sie brüsk. »Gleich da durch.«
Ein Solitär funkelte an ihrem Zeigefinger, als sie in die Richtung deutete. Nicht schlecht, dachte Honey, die sich nicht erinnerte, den Diamanten schon gesehen zu haben.
»Schöner Ring. Ist der neu?«
Loretta errötete. »Ein Geschenk. Von einem Freund.«
Von einem intimen Freund, überlegte Honey. Nur Intimität brachte diese holde Röte auf die Wangen.
Cora Herbert saß an ihrem Lieblingsplatz im Wintergarten. Auf dem Tisch vor ihr standen eine Henkeltasse mit Tee und ein Aschenbecher. Hinter der Tür bewegten Männer in Overalls methodisch die Erde des Gartens von einer Ecke zur anderen.
Die dicken schwarzen Wimpern hatten Spuren von Maskara auf ihren feuchten Wangen hinterlassen. Zigarettenrauch kräuselte sich in die Luft hinauf. Die Zigarette zitterte, als Cora sie im Aschenbecher abstreifte. Sie sah mürrisch und müde aus und hatte rote Ringe um die Augen, die farblich beinahe zu ihrem Lippenstift passten. An ihrem Scheitel waren wie ein dunkles Tal die schwarzen Wurzeln ihrer Haare zu sehen. Der Rest des Haares war strohig und blond und hätte eine Wäsche nötig gehabt.
Honeys Hals war trocken wie Sandpapier. »Es tut mir so leid, Mrs. Herbert.«
Doherty und sie setzten sich hin. Es wurde ihnen kein Tee angeboten. Im Raum war schlechte Luft, der Zigarettenqualm stieg zu einem Fenster auf, das im Dach eingebaut war.
Cora nickte.
Doherty ging noch einmal alle Einzelheiten mit ihr durch. |177| »Wann haben Sie Ihren Mann zum letzten Mal gesehen, Mrs. Herbert?«
Honey erinnerte sich sofort an ein berühmtes Gemälde – auf dem Oliver Cromwells Leute einen Jungen fragen, wo sein Vater sei, in diesem Fall der englische König Karl I.
»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt«, blaffte Cora.
Da war alle Ähnlichkeit mit einem königlichen Porträt verflogen. Cora war – gelinde gesagt – ein wenig ungehobelt. Sie sah eher wie Oliver Cromwell aus.
»Sagen Sie es mir noch einmal«, erwiderte Doherty langsam.
Diese Art von Frage entschied die Sache für Honey. Sie stubste ihn am Arm. »Kann ich Sie mal unter vier Augen sprechen, Steve?«
Doherty schürzte die Lippen. Er war nicht mehr der Steve, der in Bars herumhing. Jetzt und hier war er nur noch Profi. Er hatte diesen Beruf erlernt, hatte sich von ganz unten hochgearbeitet. Sie dagegen …
Seine Feinseligkeit war kaum merklich, aber durchaus vorhanden. Er sah aus, als wollte er ihr die Bitte abschlagen. Der Grund dafür, dass er seine
Weitere Kostenlose Bücher