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Mord mit kleinen Fehlern

Titel: Mord mit kleinen Fehlern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Scott
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erschossen worden, als sie die Haustür öffnete.
    Bitte, Gott, die arme Frau. Anne betrachtete wieder das Blut auf dem Teppichboden. Das meiste Blut befand sich an der Stelle, wo Willas Kopf gelegen haben musste, was vermuten ließ, dass man ihr in den Kopf geschossen hatte. Genauer gesagt, ins Gesicht, falls sie beim Öffnen der Tür er-schossen worden war.
    Anne sah sich den Umriss genauer an und bemerkte noch etwas auf dem Teppichboden. Sie trat zur Haustür und versuchte, den entsetzlichen Geruch nach Fleisch nicht einzuatmen. Neben Willas Körperumriss befand sich noch ein Kreideumriss, auf der linken Seite, ungefähr dreißig Zentimeter lang. Der kleinere Umriss wirkte aus der Ferne verschwommen, aber Anne erkannte ihn sofort. Ein Gewehr. Bennie hatte ihr einmal erzählt, dass die Cops Gewehre immer mit Kreide kennzeichneten. Hatte der Mörder die Waffe zurückgelassen? In der Zeitung hatte davon nichts gestanden. Aber darüber würden sie natürlich auch nicht schreiben.
    Anne kniete nieder und betrachtete den Kreideumriss des Gewehres. Sie bedeckte ihren Mund, nicht nur wegen. des Geruchs. Da sich der Umriss auf der linken Seite der Leiche befand, war der Mörder offenbar Rechtshänder. Es war nur der grobe Umriss eines Gewehres, mit dem Griff neben der Tür und einem lang gezogenen Lauf. Es sah fast aus wie der Umriss einer abgesägten Schrotflinte. Anne schnappte nach Luft.
    Kevins Lieblingswaffe.
    Mit einer solchen Waffe hatte er sie damals vor ihrer Tür angegriffen. Er hatte sie ihr an den Kopf gedrückt, aber unglaublicherweise hatte der Staatsanwalt ihn nicht wegen versuchten Mordes angeklagt, weil er nämlich nicht geschossen hatte. Sie schüttelte ihren Groll ab, um sich auf Willa zu konzentrieren. Der Täter musste Kevin gewesen sein. Er war Rechtshänder und schlau genug, um zu wissen, dass es besser war, die Waffe am Tatort zurückzulassen, als mit ihr geschnappt zu werden.
    Dann sah sie vor ihrem inneren Auge den Leitartikel, den sie an diesem Morgen gelesen hatte. Darin war von »Schüssen aus nächster Nähe« die Rede. Sie dachte darüber nach. Wenn Kevin eine abgesägte Schrotflinte verwendet hatte und mehr als einmal aus nächster Nähe geschossen hatte, dann wäre Willas Gesicht - alles, was sie ausmachte - völlig zerstört worden.
    Anne spürte, wie sich ihr Magen drehte, aber sie behielt die Kontrolle. Bei einer solchen Verstümmelung lag eine falsche Identifizierung durchaus im Bereich des Möglichen. Und die Umstände wiesen natürlich auf Anne als Mordopfer; es war schließlich Annes Haus. Sie und Willa hatten ähnliches Haar, waren gleich groß und gleich schwer. Und Willa trug ihr ROSAT O & PARTNER -T-Shirt. Anne konnte es noch immer nicht begreifen. Wer hatte Willas Leiche identifiziert? War es jemand aus der Kanzlei? Und ein entscheidendes Puzzleteil fehlte immer noch:
    Warum sollte Kevin eine Frau töten, von der er genau wusste, dass ich es nicht bin?
    Anne sah sich im Eingangsbereich nach einer Antwort um, versuchte, das Blut zu ignorieren, das die Wände tränkte, und dabei blieb ihr Blick an der Deckenlampe hängen. Es war ein billiges Modell aus nachgemachtem viktorianischen Milchglas, und sie war ausgeschaltet. Anne konnte sich nicht erinnern, wann sie die Lampe das letzte Mal benutzt hatte. Sie bekam nie Besuch.
    Anne legte den Schalter um, aber das Licht ging nicht an. Vielleicht war die Birne durchgebrannt. Moment mal. Sie konnte sich nicht daran erinnern, bei ihrem Einzug eine Birne eingeschraubt zu haben. Sie war zu klein, um ohne Hilfsmittel an die Lampe zu kommen, und sie hatte sich keine Mühe gemacht.
    Wenn das Licht im Flur nicht funktionierte, dann hatte es folglich auch kein Licht gegeben, als Willa an die Tür ging. Und wenn sie das Licht im Wohnzimmer eingeschaltet hatte, was nachts sehr wahrscheinlich war, da Willa offenbar im Wohnzimmer ferngesehen und etwas getrunken hatte, dann wurde sie bestenfalls von hinten beleuchtet. Willa wäre also nur als Silhouette erkennbar gewesen, als sie an die Tür ging. Darüber hinaus eine Silhouette, die in Größe und Gestalt Anne ähnelte. Und Annes T-Shirt trug.
    Anne sah die Szene mit schwerem Herzen vor ihrem inneren Auge. Jetzt ergab alles einen Sinn. Kevin hatte Willa in dem Glauben erschossen, es sei Anne. Vielleicht wusste er auch jetzt noch nicht, dass er die falsche Frau getötet hatte. Es war gut gewesen, weiter die Tote zu spielen. Anne fühlte sich sowohl erleichtert als auch entsetzt. Aber

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