Mord mit kleinen Fehlern
nicht, es ist wegen Anne! Wegen Murphy. Wie auch immer sie genannt werden will. Genannt werden wollte. «
»Murphy«, bestätigte Judy, aber Bennie schüttelte den Kopf.
»Nein, ich glaube, sie hat das nur übernommen, weil ich sie immer so genannt habe. Nehme ich an. Beim Bewerbungsgespräch hat sie sich als Anne vorgestellt:«
»Ist doch egal!«, platzte Mary heraus. »Es liegt an uns! Wir haben uns keine Zeit für sie genommen! Wir haben es gar nicht versucht. Wir wissen ja nicht einmal, wie sie genannt werden wollte. Sie hat erzählt, sie hätte eine Verabredung für gestern Abend. Hatte sie das wirklich? Und mit wem? Ist er der Mörder? Wir haben kein Ahnung! Und dann stellt sich noch heraus, dass sie auch noch von einem Stalker bedroht wurde, der letztes Jahr versuchte, sie zu töten, und den sie sogar in den Knast gebracht hat! Wir hatten davon keinen blassen Schimmer! «
»Murphy hat ein Geheimnis daraus gemacht, sie war immer sehr auf Privatsphäre bedacht ... «, wandte Judy ein.
»Was ist mit der Eingabe vor Gericht, Judy? Daraus hat sie kein Geheimnis gemacht. Sie hat einen Stripper ins Gericht geschleust, und wir mussten das aus den Nachrichten erfahren! Wahrscheinlich wollte sie uns davon erzählen, als sie gestern Nachmittag in mein Büro kam, aber wir haben sie nicht zu Wort kommen lassen!« Marys Augen wurden wieder feucht, aber sie blinzelte die Tränen weg. »Angeblich sind wir die Kanzlei mit dem weiblichen Touch. Was für ein Witz! Wir helfen uns nicht einmal gegenseitig. Wo liegt denn eigentlich der Unterschied zu anderen Kanzleien? Ob Männer oder Frauen, letzten Endes verhalten wir uns alle wie Anwälte.«
»Du hast ganz einfach Schuldgefühle, Mare.«
»Stimmt! Ich fühle mich total schuldig! Und weißt du was: Dazu habe ich auch allen Grund! Und du ebenfalls!« Mary drehte sich zu ihrer besten Freundin um, die neben ihr auf der Couch saß. »Soll ich dir mal die Wahrheit sagen, Jude? Du hast Murphy nie gemocht. Anne. Wie auch immer. Du hast sie nie leiden können. Darum ist es dir jetzt auch völlig egal.«
Hoppla. Anne war schockiert. Sie schämte sich dafür, zu lauschen, aber sie konnte nicht anders.
»Es ist mir nicht egal!«, protestierte Judy, aber Mary war außer Rand und Band.
»Ist es dir doch! Die ganze Zeit, als ich krank war, bist du ihr aus dem Weg gegangen. Mehr als einmal hat sie dich zum Mittagessen eingeladen, aber du hast immer abgelehnt. Du hast sie von Anfang an nicht gemocht. Und weißt du auch, warum? Weil sie so umwerfend war! Du warst immer der Ansicht, dass sie zu viel Make-up und zu viel Lippenstift trug.«
Sie reden über meinen Lippenstift? Anne mochte die Ironie des Ganzen kaum glauben.
»Sie hat ja auch immer zu viel Make-up aufgelegt! « Auch Judy war jetzt krebsrot im Gesicht. »Das heißt noch lange nicht, dass es mir egal ist ... «
»Warum haben wir uns so verhalten? Ich wette, es hat mit unserer Biologie zu tun, dass wir ständig mit anderen Frauen um Männer wetteifern, selbst wenn keine Männer in der Nähe sind. Das ist doch krank! Und wann werden wir uns endlich davon frei machen? «
»Es war nicht nur ihr Aussehen...«
»Du hast gesagt, sie würde ihr Aussehen benutzen!«, brach es aus Mary heraus. »Das hast du gesagt, Judy! Dass Anne Chipster nie bekommen hätte, wenn sie nicht so heiß aussehen würde.«
Meine Güte! Anne konnte nicht glauben, was sie da hörte. Das war ja auch überhaupt nicht für ihre Ohren be stimmt, und plötzlich wollte sie es auch nicht mehr hören. Aber dann doch wieder.
»Das stimmt ja auch!«, brüllte Judy zurück. »Wie kommt denn eine frisch gebackene Anwältin an so einen Fall? Der Mandant kannte sie vom Studium? Ach bitte! Wach doch endlich auf, Mary. Hier die Tatsachen: Gil Martin hätte Anne niemals beauftragt, wenn sie nicht so ausgesehen hätte, wie sie aussah.« Judys Kopf schnellte zu Bennie herum, das Halstuch flatterte. »Du hast dir doch auch Gedanken gemacht, Bennie. Warum hat Gil Anne beauftragt? Ausgerechnet die Jüngste von uns allen? Die Anwältin mit der geringsten Erfahrung? Wie viele Fälle hat sie schon bearbeitet? Einen?«
Bennie hob beschwichtigend die Hände. »Beruhigt euch, alle. beide.« Ihre Stimme klang so gelassen wie die eines Richters. »Mary, du hast Recht. Wir hätten alle etwas freundlicher zu Anne sein können, aber das waren wir nicht. Wir hatten viel zu tun — wie Judy schon sagte -, doch das ist keine Entschuldigung.« Bennie beugte sich vor, berührte Marys
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