Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mord mit kleinen Fehlern

Titel: Mord mit kleinen Fehlern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Scott
Vom Netzwerk:
Verkleidung. Abgesehen davon waren die Gehwege voller Menschen, die wie die Freiheitsstatue grüne Styroporkronen, George - W.Bush-Masken oder  rot-weiß-blaue Schirmhüte trugen. Anne traf auf zwei weitere Uncle Sams, und die beiden winkten ihr zu.
    In der Locust Street herrschte Verkehrsgewirr. Wie die meisten Straßen von Philadelphia war sie gerade breit genug, um einen Einspänner mit Pferd durchzulassen, folglich war nur Einbahnverkehr möglich. Man hatte Anne bis zum Überdruss erzählt, dass Ben Franklin höchstselbst die Stadt entworfen habe, aber sie war immer der Ansicht gewesen, dass sein berühmtes geometrisches Straßennetz nur zu einem führte: Verkehrsinfarkt. Sie sah nach vorn, die Straße hinunter, die sich vor dem Gebäude entlangzog, in dem ROSATO & PARTNER untergebracht waren. Hier staute sich der Verkehr, weil die Übertragungswagen von ABC, dem Gerichtskanal, CNN und dem örtlichen Nachrichtensender illegal parkten. Sogar aus dieser Entfernung konnte Anne erkennen, dass Reporter, Fotografen, Videokameras und Satellitenschüsseln das Bürogebäude in Beschlag genommen hatten. Es war mindestens doppelt so viel Presse anwesend als sonst. Wer hätte gedacht, dass der Mord an einer hübschen Anwältin kurz vor der Verhandlung eines Sexualdeliktes derart medienwirksam sein würde?
    Anne rückte ihre Sonnenbrille zurecht und ging weiter. Dabei beobachtete sie prüfend die Straße. Kevin konnte hier sein. Krank wie er war, würde er ihr nahe sein wollen, selbst wenn sie tot war. Möglicherweise wollte er auch einen Blick auf Bennie werfen. Oder auf Judy. Das machte ihr Sorgen. Könnte Kevin eine Gefahr für die beide n darstellen? Unwahrscheinlich, aber doch möglich. Sie hatte im Grundkurs Erotomanie gelernt, dass die geistig Verwirrten ihre Fixierungen häufig übertrugen.
    Anne sah auf die Uhr. Zwölf Uhr dreißig. Die Zeugen- aussage sollte um 13 Uhr stattfinden, aber ihr war nicht klar, wie die Presse davon erfahren hatte. So ein Aussageprotokoll war keine öffentliche Angelegenheit, und sie war sicher, dass ROSAT O & PARTNE R den Termin nicht bekannt gegeben hatten. Anne eilte auf die Menschenmenge zu, zog ihren Zylinder tiefer ins Gesicht. Noch zwei Häuserblocks, dann nur noch einer. Eigentlich sollte hier keiner nach ihr suchen, aber einige der Reporter kannten sie durch die Chipster-Sache. Sie zog die rote Krempe noch tiefer. Anne hatte all ihre Gedanken auf Kevin verwandt, dass ihr die Tatsache entgangen war, dass auch Uncle Sam sich einer Medienkontrolle unterziehen musste.
    Anne erreichte das Bürogebäude und fädelte sich durch die Masse an Medienvertretern, die Augen hinter der großen Brille versteckt. Reporter schwitzten in ihren Sommeranzügen und ihrem Bildschirm-Make-up. Anne entdeckte eine Nachrichtenmoderatorin, die sie kannte, und senkte rasch den Blick. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Zwölf Uhr 45. Touristen und Schaulustige bevölkerten den Bürgersteig, trugen zur Gehwegverstopfung bei. Anne musste weiter. Sie marschierte durch das humpta-humpta einer Rap-CD und inhalierte einen Schwall Zigarettenrauch.
    Plötzlich klingelte ein Handy, und Anne brauchte einen Moment, bis ihr klar wurde, dass es ihres war; sie hatte es in ihrem Schlafzimmer wieder aufgeladen. Wer könnte sie anrufen? Die ganze Welt hielt sie für tot. Sie öffnete ihre Handtasche, zog das Handy heraus und klappte es auf. »Ja?«, meldete sie sich mit leiser Stimme.
    »Ms. Sherwood, hier spricht Dr. Marc Goldberger.«
    »Aber natürlich«, sagte Anne überrascht.
    »Mir ist jetzt klar, warum Sie mich angerufen haben. Ich habe gerade mit meinem Supervisor gesprochen. Sie waren nicht ganz ehrlich zu mir, Ms. Sherwood. Falls das wirklich Ihr Name ist.«
    O nein.  »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Ich glaube, doch. Kevin Satorno ist vor ein paar Tagen aus dem Gefängnis entflohen. Wussten Sie das, als Sie mich anriefen? «
    »Entflohen?« Anne spürte, wie ihr Herzschlag aussetzte. Sie hatte es vermutet, aber der Gedanke, dass es wirklich wahr war, entsetzte sie.
    »Wollen Sie mir etwa weismachen, Sie hätten es nicht gewusst? Dass Ihr Anruf gerade heute nur ein Zufall war?« 
    Kevin  ist draußen. Kevin ist frei.  
    Anne konnte  darauf nicht antworten. Sie konnte nicht sprechen. Sie unterbrach die Verbindung und kämpfte gegen das panische Verlangen, unter irgendeinen Gegenstand zu kriechen und sich zu verstecken. Sie wusste nicht, was sie jetzt tun sollte, sie wusste nur, dass sie nicht in Panik

Weitere Kostenlose Bücher