Mord mit kleinen Fehlern
nicht mehr ausgegangen. Kevin Satorno war meine letzte Verabredung.« Sie musste Bennie wieder auf die richtige Spur bringen. »Darum weiß ich ja auch, dass Willa keinesfalls das beabsichtigte Opfer sein kann. Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort. Es war Kevin, und er wollte mich umbringen. Wahrscheinlich hat er im Gefängnis meine Karriere verfolgt, hat vielleicht sogar etwas von mir und Chipster gelesen. Die Zeitungen in Philly sind online. Die abgesägte Schrotflinte, der Angriff an der Haustür, alles ist wie damals in Los Angeles. Wahrscheinlich beobachtet er seit seiner Flucht mein Haus.«
Bennie hob eine Augenbraue. »Warum hat er dann nicht gesehen, wie du gestern Abend zur Küste abgefahren bist? Warum hat er nicht gesehen, wie Willa eingetroffen ist?«
»Vielleicht hat er seine Beobachtung kurz unterbrochen. Außerdem bin ich erst kurz nach neun losgefahren, als es schon dunkel war. Ich habe mich noch mit Willa unterhalten und mit Mel gespielt. Dann habe ich Willa mein T-Shirt und ein paar Shorts geliehen, weil sie direkt aus dem Studio kam. Weiß man, wann der Mord stattfand?«
»Bislang geht man von dreiundzwanzig Uhr aus.« Bennie ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen. »Und das Licht in deinem Flur funktionierte nicht? Woher weißt du, dass die Birne nicht erst heute Morgen durchgeschmort ist, als du versucht hast, das Licht einzuschalten?«
»Ich habe sie nie benutzt, kein einziges Mal. Ich bezweifle, ob überhaupt eine Glühbirne eingedreht ist.« Anne gab sich innerlich einen Tritt, weil sie nie nachgesehen hätte. »Bennie, ich sage dir, es war Kevin. Er wollte mich gestern Abend erschießen, genauso wie zuvor, und sicherlich glaubt er jetzt mich umgebracht zu haben.«
Judy schüttelte bedächtig den Kopf. »Bennie könnte durchaus Recht haben. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass jemand aus irgendeinem Grund Willa töten wollte. Wir wissen so gar nichts über sie.«
Mary sah sie von der Seite her an. »Nein, ich glaube, dass Anne richtig liegt. Vor gerade mal einem Jahr hat Kevin es auf ihr Leben abgesehen. Er hat also schon zuvor versucht, sie umzubringen, und jetzt ist er aus dem Gefängnis geflohen. Er ist von ihr besessen, ein Stalker. Es ist viel wahrscheinlicher, dass sie das Opfer sein sollte. Kein Zweifel.«
Himmel . Unse r erste r Streit . Anne spürte, wie die Fronten gezogen wurden. Mel entschied sich natürlich für ihre Seite, auch wenn er auf Marys Schreibtisch eingeschlafen war. Die loyale Katze.
Bennie hob wie ein Verkehrspolizist die Hand. »Moment mal, lasst uns diese Diskussion kurz aussetzen. In deiner Vermutung gibt es eine Ungereimtheit, Murphy. Wenn Kevin der Mörder ist, warum sollte er deiner Meinung nach dann noch in der Stadt sein? Wenn er aus dem Gefängnis geflohen ist und dich getötet hat, warum macht er sich dann nicht aus dem Staub? Er hat seine Aufgabe erledigt, und er will nicht geschnappt werden. Jeder Mörder würde sich absetzen.«
»Ein Erotomane aber nicht. So denken diese Typen nicht. Kevin fühlt sich auf ewig romantisch mit mir verbunden. Natürlich nur in seiner Einbildung, aber die ist sehr stark. Er wird sehen wollen, wo ich gearbeitet habe, mein ganzes Umfeld - ja, will vielleicht sogar euch in Augenschein nehmen. «
»Dem kann ich nur zustimmen. Stalker sind eine Klasse für sich«, bestätigte Mary leise. Ihre Augenlider flatterten, und sie strich sich mit manikürten Fingern eine dunkelblonde Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wisst ihr, ich hatte mal ein Problem mit ... jemand.«
»Ehrlich? Du?« Anne sah sie überrascht an, obwohl sie die Statistiken kannte. Drei von zehn Frauen wurden irgendwann in ihrem Leben von einem Stalker belästigt. Also hatten sie und Mary doch etwas gemeinsam. Anne wünschte sich nur, es wäre etwas Gutes gewesen, beispielsweise manischer Kaufrausch.
»Mein Fall lag etwas anders, weil mir nicht klar war, dass ich einen Stalker hatte. Aber ich weiß noch, wie vorsichtig man im Umgang mit einem Stalker sein muss. Und man kann einfach nicht gewinnen. Wenn man zur Polizei geht, dreht er erst recht durch. Wenn man es nicht tut, hat man keinen Schutz. «
Stimmt . Es war schön, endlich verstanden zu werden - und das von jemand, der nicht vom Gericht als Gutachter beauftragt worden war. »Darum hätte ich auch nie die einstweilige Verfügung gegen Kevin erwirken sollen. Das zerstörte seine Illusion, dass ich ihn lieben würde. Es war die ultimative Zurückweisung, eine, die selbst er nicht
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