Mord mit kleinen Fehlern
leugnen konnte. Für ihn war es eine Kriegserklärung.«
»Aber du hattest doch das Recht, vor Gericht zu gehen! «, erklärte Judy. Neben ihr nickte Bennie zustimmend.
»Du hast das Richtige getan. Du hast versucht, dich zu schützen. «
Anne versuchte, es zu erklären. »Zehn Prozent aller Frauen, die missbraucht werden oder es mit einem Stalker zu tun haben, werden kurz nachdem sie eine einstweilige Verfügung erwirkt haben, ermordet. In New York haben sie eine Frau tot aufgefunden - die einstweilige Verfügung war mit einem Messer in ihre Brust gebohrt. « Anne schwieg angesichts dieser entsetzlichen Vorstellung. »Diese obsessiven Typen unterscheiden sich von normalen Mördern, falls es so was wie einen normalen Mörder überhaupt gibt. Darum wird Kevin auch in der Stadt bleiben. Er will in meiner Nähe sein, die Orte besuchen, an denen sich mein Leben abgespielt hat. Auch im Tod will er mit mir verbunden sein.«
Mary erschauerte. »Ich wette, der Typ verlässt Philadelphia nicht vor deiner Beerdigung.«
»Stimmt«, sagte Anne, obwohl sie an ihre Beerdigung noch gar nicht gedacht hatte. »Aber es ist Willas Leiche im Leichenschauhaus. Was geschieht jetzt mit ihr?« Sie sahen Bennie an, denn Bennie wusste immer auf alles eine Antwort.
»Der Gerichtsmediziner wird die Leiche erst in zwei bis drei Wochen freigeben, angesichts der Feiertage und dem großen Arbeitsrückstand.«
» Arbeitsrückstand? «, fragte Anne. Dieser Begriff mochte vielleicht auf Bürotätigkeiten zutreffen, bei Leichen schien er ihr reichlich fehl am Platz.
»Na, der vierte Juli in der Stadt der brüderlichen Liebe«, erklärte Bennie. »Die Notaufnahmen sind voll von Feuerwerksunfällen. Die Gerichtsmedizin ist unterbesetzt. Es werden Blut- und DNS-Tests an Willas Leiche durchgeführt werden, aber die Ergebnisse kommen frühestens nächste Woche rein, da die Identität ja geklärt ist. Falls wir nichts sagen, ist es möglich, dass die Leiche zur Beisetzung freigegeben wird, in der Annahme, es würde sich um dich handeln. « Betretenes Schweigen legte sich für eine Minute auf die Frauen, dann fuhr Bennie fort. »Das dürfen wir aber nicht zulassen, schon wegen Willa. Wir müssen Willas Familie ausfindig machen und die Polizei benachrichtigen, Murphy. Wir müssen ihnen sagen, dass Satorno geflohen ist und du am Leben bist. Und dass sie die falsche Leiche haben.«
»Absolut nicht. Ich gebe dir Recht, was Willas Familie angeht. Wir müssen sie suchen und es ihnen sagen, aber wir sollten versuchen, sie davon zu überzeugen, uns erst die Chance zu geben, ihren Mörder zu finden.«
»Nein, das ist haltlos. Hör mich erst mal an.« Bennie hielt den Finger, an dem die Tasse baumelte, hoch. »Kevin ist ein gefährlicher Flüchtling, und wir sollten die Suche nach ihm den Cops überlassen. Die Polizei hat die Leute, die Mittel, das Fachwissen. Sie muss eine Personenbeschreibung an alle Streifenbeamten verteilen, das FBI kontaktieren, sich mit den kalifornischen Behörden kurzschließen.«
»Du hast doch gehört, was der Detective sagte. Es gibt zurzeit nur vierzi g Cops in der gesamten Innenstadt! Sie können ja nicht mal mein Haus unter Beobachtung stellen. Außerdem habe ich schon einmal darauf vertraut, dass die Cops mich beschützen, und das hätte beinahe tödlich geendet. Sie waren nicht in der Lage, Kevin versuchten Mord nachzuweisen, darum fiel seine Haftstrafe auch so gering aus. Nein, ich vertraue dem System nicht mehr. Das hat mich beinahe umgebracht. «
Bennie blieb unerbittlich. »Murphy, dieser Mann ist eine echte Bedrohung für dich. Das ist jetzt nicht die Zeit für Amateure. «
»Keine Cops.«
»Damit bin ich nicht einverstanden.«
»Es ist ja auch nicht dein Leben.«
Bennie wich keinen Millimeter. »Murphy, du schätzt mich falsch ein. Diese Kanzlei gehört mir, und du bist meine Angestellte. Ich bin für deine Handlungen verantwortlich, was bedeutet, ich kann für alles, was hier passiert, sowie für alles, was du tust, zur Rechenschaft gezogen werden. Beispielsweise dafür, dass du bei Gericht nackte Männer vorführst.« Ein Lächeln war nirgends in Sicht. »Ich kann diese Information nicht für mich behalten und sie vor der Polizei verbergen. Das kommt einer Behinderung der Justiz gleich. Während der Mord an einer falschen Person ermittelt wird, halten wir Informationen über den Aufenthaltsort des Hauptverdächtigen zurück.« Bennie verschränkte die Arme. Anne tat es ihr gleich. Währenddessen beobachteten Judy
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