Mord mit Schnucke: Heidekrimi (German Edition)
auszudenken, wenn die den Heiner zuerst gefunden hätten.«
Die Männer warfen einander wissende Blicke zu.
Hanna verhielt sich ganz still und hörte zu. Dies war nicht die korrekte Vorgehensweise, aber hier war sowieso noch nichts korrekt abgelaufen. Und vielleicht würde sie ja etwas Wichtiges erfahren.
Fallersleben, dachte sie. War der wirklich bei seinen Jagdhunden? Oder war er der schemenhafte Mann gewesen, der vor wenigen Minuten drohend auf sie zugekommen war?
Westermann schaffte es nicht, Ruhe in die Gruppe zu bringen.
»Was soll ich machen, Chefin?«
»Notieren Sie sämtliche Namen. Die Herren werden einzeln vernommen.«
Protestierendes Gemurmel erhob sich. Sie achtete nicht darauf.
»Außerdem bestellen Sie einen Rechtsmediziner aus Hamburg und die Spurensicherung aus Buchholz her.«
»Was sollen die denn hier? Die finden höchstens noch Abdrücke von Stiefeln, Heidschnuckenhufen und Hundepfoten. Meiner Meinung nach hatte der Tote das Pech, in der Schusslinie eines dieser Herren zu stehen.«
»Ganz genau!«
Richard Graf von Fallersleben trat plötzlich aus der Gruppe hervor. Die Männer machten ihm Platz, als sei er ein König, der zum gemeinen Volk herniedersteigt. Tatsächlich hatte er aber nichts Vornehmes an sich. Er wirkte vielmehr abgehetzt. Schweiß stand ihm auf der Stirn, und seine Augen schauten unruhig mal hierhin, mal dorthin. Ganz so, als suche er etwas. Oder jemanden.
Hanna beobachtete ihn genau.
Er sah ihr nicht in die Augen, als er das Wort an sie richtete. »Das war ein bedauerlicher Unfall. So etwas kann bei einer Jagd schon einmal geschehen.« Rasch wandte er sich an die Gruppe. »Habe ich euch das nicht auch schon vorhin gesagt, Leute? Als Hansen nicht zum Halali erschienen ist? Da haben wir alle befürchtet, ihm könnte etwas zugestoßen sein. Offenbar hat er sich ein ganzes Stück von uns entfernt, und keiner hat es mitbekommen. Und nun haben wir den armen Kerl gefunden.«
Alle nickten wie ein Mann. Auch der Polizeikommissar. Erst als er Hannas Blick auffing, hielt er den Kopf wieder ruhig und wirkte beinahe beschämt.
Hanna schaute auf die signalrote Warnweste des toten Bankiers. Alle Jäger waren dazu verpflichtet, eine solche Weste zu tragen.
»Kaum vorstellbar, dass er für einen Hirsch gehalten wurde«, erklärte sie. »Außerdem handelt es sich hier um einen gezielten Kopfschuss.«
7
Ein Stöhnen ging durch die Jagdgesellschaft. Die Männer starrten die Kommissarin an.
Fallersleben ballte die Fäuste. Seine Wut war echt.
»Gezielt, ja? Woher wollen Sie das denn wissen? Da kommen Sie mal eben in meinen Wald gestolpert und finden einen Toten. Was haben Sie hier überhaupt zu suchen? Wollten Sie Pilze sammeln?«
»Nein«, erwiderte Hanna ruhig.
Selbstverständlich konnte sie den anonymen Anrufer nicht erwähnen. Ihr kam der Gedanke, dass sie vor dem größten Fall ihres Lebens stand, und einen kurzen Moment lang fühlte sie sich verzagt. Wenn ihr niemand half, wie sollte sie den Fall lösen?
Fallersleben war noch nicht fertig: »Wie dem auch sei. Sie landen also zufällig auf der Lichtung und entdecken den armen Hansen. Und auf einmal versuchen Sie, aus einem Jagdunfall einen Mord zu drehen. Sind Sie noch ganz bei Trost? Sie wollen wohl unbedingt hier bei uns Karriere machen. Woanders haben Sie das ja nicht geschafft.«
Hier und da erklang leiser Beifall, Westermann unterdrückte nur mühsam ein Grinsen.
Wieder dachte Hanna an den Anrufer. Es war eine männliche Stimme gewesen, das war sicher. Aber sonst? Nein, es gab keine handfesten Anhaltspunkte, um wen es sich handeln mochte. Nur den winzigen Bruchteil einer Ahnung. Aber der Mann hatte recht gehabt. So viel war klar. Bankier Heiner Hansen war erschossen worden. Und zwar mit Vorsatz. Die winzige Möglichkeit, dass ein Querschläger punktgenau die linke Schläfe getroffen hatte, zog sie gar nicht erst in Betracht.
Und nun wollte der Graf aus dem Toten ein Unfallopfer machen – Fall gelöst.
Ha! Das könnte dem so passen!
Sie reckte das Kinn und schaute entschlossen von Westermann zu Fallersleben. »Hier ist ein Mord geschehen, und ich habe die Absicht, ihn aufzuklären.«
Ein Raunen ging durch die Jagdgesellschaft. Der eine oder andere Hamburger mochte wohl daran denken, dass er in den Sonntagabendstau geraten würde, wenn er hier noch lange aufgehalten wurde. Ab sieben Uhr abends waren die Elbbrücken und der Elbtunnel dicht.
Zwei, drei Männer wirkten ehrlich betroffen. Vielleicht überlegten sie,
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