Mord mit Schnucke: Heidekrimi (German Edition)
standen kurz davor, den Fall aufzuklären.
Westermann wusste es bloß noch nicht.
Er starrte sie noch ein paar Sekunden lang an, dann wandte er sich an den Kutscher. »Mensch, Heinz-Otto, nun mach schon. Raus mit der Sprache. Brauchst keine Angst zu haben. Florian ist sowieso unser Hauptverdächtiger.«
»Westermann!«, sagte Hanna scharf. »Kein Wort mehr!«
Heinz-Otto wirkte jetzt vollkommen verwirrt. »Der Junge? Der junge Herr Graf? Ich sage nix mehr. Ich will einen Anwalt.«
Kein Zweifel, das hatte er auch aus dem Fernsehen.
Hanna drehte sich um und tötete ihren Kollegen mit Blicken. Der machte sich so klein, wie es ihm nur möglich war.
»Das war die Spritze«, murmelte er. »Bin nicht ganz klar im Kopf.«
»Ich muss jetzt los«, erklärte Heinz-Otto. »Und Sie müssen Fallersleben verhaften. Der wollte nämlich flüchten. Aber der Jo hat ihn vorhin zurückgebracht. Ja, der is ’n guter Polizist und ’n guter Arzt. So einen brauchen wir.«
Sprach’s, setzte sich das auf den Kopf, was von seinem Hut noch übrig war, und verschwand.
»Uff«, machte Westermann. »Ich glaube, der ist nicht mehr ganz dicht. Und richtig gut gucken kann er wahrscheinlich doch nicht mehr. Dass zwischendurch die Gräfin ihren Sohn nach Hause gebracht hat, ist ihm wohl entgangen.«
Hanna schwieg.
Sie musste dem Kollegen dringend berichten, was sie von Hendrik erfahren hatte, bevor er noch mehr Chaos in die Ermittlung bringen würde.
Sie kam bloß nicht dazu.
Kaum war Heinz-Otto weg, erschien Richard von Fallersleben im Salon.
Im Gegensatz zu Hanna und Westermann wirkte er frisch und ausgeruht.
»Habe ich eben den alten Kutscher durch meine Diele schleichen sehen?«, erkundigte er sich mit pikiertem Gesichtsausdruck.
Hanna nickte.
»Dass er es wagt, mein Haus zu betreten! Haben Sie ihn herbestellt?«
»Hm«, machte sie unbestimmt.
»Das geht entschieden zu weit«, erklärte der Graf. »Ich will diesen Mann hier nicht haben. Der macht nur Ärger. Und er wird nie wieder einen Auftrag von mir bekommen. Wenn meine Gäste in Zukunft unbedingt eine zünftige Kutschfahrt durch meinen Wald unternehmen wollen, stelle ich jemand anderes ein.«
»Das ist jetzt nicht wichtig«, erklärte Hanna.
»Genau!« Westermann quälte sich aus seiner liegenden Position und setzte sich in extremer Schieflage hin, wobei er umständlich mit zwei Kissen hantierte. »Wir haben einen Mordfall zu lösen. Und da kommen Sie ins Spiel.«
Es schien Hanna, als habe er jegliche Angst vor Fallersleben verloren. Wer zweimal von Alfreds Rücken geflogen war und überlebt hatte, fühlte sich offenbar unverwundbar.
Schlechtes Timing, Kollege! Ich hätte dir was sagen müssen.
Der Graf wirkte schon weniger frisch. Auf einmal war er aschfahl im Gesicht.
Hanna ging einen Schritt auf ihn zu. Nur für den Fall, dass er wieder umkippen wollte.
Er streckte einen Arm aus. Erst dachte sie, er wolle sich gegen sie verteidigen, dann entdeckte sie ein zusammengefaltetes Blatt Papier in seiner Hand.
»Hier, bitte. Die Namen und Adressen von Florians sogenannten Freunden. Ich hoffe, ich kann der Polizei damit dienlich sein.« Dazu setzte er eine Miene auf, als könne er auf diese Weise sich selbst und seine Familie von jeglicher Schuld reinwaschen.
»Danke«, erwiderte Hanna. »Das Rauschgiftdezernat wird sich darum kümmern.«
Sie tat, als wollte sie ihm nur das Blatt Papier abnehmen, legte aber fest ihre Hand auf seine.
Fallersleben sah sie leicht amüsiert an. Ein Hauch von seiner alten Sicherheit kehrte zurück, die Wangen wiesen einen gesünderen, rosigen Ton auf. »Möchten Sie mit mir anbändeln, Frau Petersen? Ich fürchte, da muss ich Sie enttäuschen. Ich liebe meine Frau. Trotz ihrer kleinen Schwächen.«
»Das hat sie beim Heinz-Otto eben auch gemacht«, erklärte Westermann vom Sofa aus. »Also, entweder ist sie jetzt plemplem – wäre ja auch kein Wunder, wo sie sich zweimal den Kopf gestoßen hat –, oder … äh … das ist ihre neue Art, freundlich zu sein.«
Irgendwo draußen knatterte ein Moped davon.
Hanna holte tief Luft. Sie war auf einmal nicht mehr sicher gewesen. Vorhin im Wald, als Fallersleben sie berührt hatte, da hatte sie vielleicht noch unter dem Schock ihres Sturzes gestanden. Nun jedoch, in der ruhigen Atmosphäre des Salons, wusste sie endgültig Bescheid. Es war an der Zeit, die richtigen Fragen zu stellen.
Rasch nahm sie das Blatt Papier, warf einen kurzen Blick darauf und steckte es dann in die Innentasche ihrer
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