Mord mit Schnucke: Heidekrimi (German Edition)
Jacke. »Setzen wir uns.«
Während sie selbst wieder im Sessel Platz nahm, wählte Fallersleben einen Stuhl, auf dem er höher als die beiden Polizisten saß.
Typisch.
Wenn er sich dadurch einen Vorteil erhoffte, irrte er sich.
»Herr von Fallersleben«, begann Hanna im Plauderton, »haben Sie sich von Ihrem Schwächeanfall erholt?«
»Das sehen Sie doch. Mir geht es gut.«
»Prima.« Sie legte Schärfe in ihre Stimme. »Dann sind Sie ja vernehmungsfähig. Geben Sie zu, dass Sie Ihren Sohn Florian für den Mörder von Heiner Hansen halten?«
Erneut wich alle Farbe aus seinem Gesicht, während Westermann einen seltsam tiefen Ton ausstieß. Ob aus Triumph oder vor Freude war nicht auszumachen.
»Ich verbitte mir …«, begann Fallersleben, hielt inne, starrte Hanna an, knickte ein. Seine Schultern sackten he rab, in den Augenwinkeln sammelten sich Tränen, sein Blick war der eines alten geschlagenen Mannes.
Sie schauderte. Schon wieder so ein plötzlicher Stimmungswandel. Aber sie war auf dem richtigen Weg und ließ nicht locker.
»Ich höre.«
»Ja.« Kaum mehr ein Flüstern. »Ja, ich fürchte, er könnte es gewesen sein.«
Sie nickte. Genau das hatte sie vorhin im Wald und jetzt wieder im Salon gespürt. Eine schwache Schwingung, zu leicht für einen Verbrecher, aber stark genug für einen Menschen, der mit seinem Gewissen nicht mehr im Reinen war.
Westermann war ganz still, knackte nur mit den Fingerknöcheln. Es klang wie Gewehrschüsse.
Fallersleben fuhr zusammen; Hanna ließ ihn nicht aus den Augen. »Warum?«
Ein hilfloses Schulterzucken. »Ganz ehrlich, Frau Petersen, der Gedanke erschien mir selbst ungeheuerlich. Aber Florian – er ist nicht mehr derselbe, seit er in diese schlechte Gesellschaft geraten ist. Er raucht Marihuana, und vielleicht nimmt er schon härtere Drogen.«
»Seit wann genau?«
Fallersleben räusperte sich umständlich. »Das geht seit einem Jahr so. Damals hat er herausgefunden, dass Iris nicht die brave Ehefrau und Mutter ist, für die er sie immer gehalten hat. Sie müssen wissen, er war immer ein Mama-Kind. Er hat seine Mutter vergöttert. Eines Abends hat er uns belauscht. Ich bat Iris, nicht so oft zu ihrem Liebhaber nach Hamburg zu fahren. Der Junge könnte darunter leiden. Als ich auf den Flur trat, sah ich ihn in seinem Zimmer verschwinden. Damals hat er sich einen – Knacks weggeholt.«
»Dieser Liebhaber«, hakte Hanna ein, »war das Heiner Hansen?«
»Nein, sein Vorgänger. Oder noch einer davor. So genau weiß ich das nicht mehr. Meine Frau ist in dieser Beziehung … sagen wir mal, sehr rege.«
Sie ließ die Antwort unkommentiert und fragte weiter: »Aber Ihr Sohn wusste auch von Heiner Hansen?«
»Das glaube ich, ja. Er spioniert seiner Mutter hinterher.«
Hanna schoss die nächste Frage auf ihn ab. »Wann haben Sie entdeckt, dass Florian der Wilderer in Ihrem Wald ist?«
»Samstag. Am Abend vor der Jagd. Es war reiner Zufall. Der Junge hatte Blutspritzer am Hemd, und als ich ihn darauf ansprach, hat er mir mit einem frechen Lachen erzählt, was er so treibt. Normalerweise ist er ja eher schüchtern. Ich schätze, dass er an diesem Abend irgendetwas genommen hat, was ihn mutig werden ließ. Ich war fassungslos. Mein eigener Sohn hält mich zum Narren, indem er in meinem Wald beliebig Wild tötet. Und ich erstatte auch noch Anzeige gegen unbekannt wegen Wilderei. Das macht mich zum Gespött der Leute.«
Keine Sorge, dachte Hanna. Die haben genug über mich zu lachen.
»Und dann?«
Fallersleben antwortete nicht sofort. Er stand auf, ging zu einem hohen Rosenholzschrank und öffnete die Doppeltür. Zum Vorschein kam eine reich gefüllte Hausbar. Sorgsam wählte er eine Flasche Cognac aus und goss sich einen großzügigen Drink ein. Dann setzte er sich wieder und ließ den edlen Tropfen in seinem Cognacschwenker kreisen, bevor er einen tiefen Schluck nahm. Den Polizisten bot er nichts zu trinken an.
Hanna hätte ohnehin abgelehnt.
Westermann, der wieder auf dem Bauch lag, ebenfalls.
Oder auch nicht. Er schaute sehnsuchtsvoll auf das Glas, bis Hannas strenger Blick ihn den Kopf senken ließ.
»Ich habe ihm eine Ohrfeige verpasst«, fuhr der Graf fort, »und ihn auf sein Zimmer geschickt. Für den Rest des Wochenendes bekam er Hausarrest. Sein Handy habe ich auch eingezogen, und ich war auf der Hut. Später am Abend habe ich dann vom Zweitanschluss mit angehört, wie er sich bei einem seiner Freunde beklagt hat. Er werde eingesperrt wie ein kleines
Weitere Kostenlose Bücher