Mord nach Drehbuch
stand vor einem Geländer und hatte die Hände auf dem Rücken verborgen. Und da war wieder dieses Lächeln: gewinnend, wenn auch nervös. Wie eine Schauspielerin, die auf ihren Auftritt wartet.
Genau in diesem Augenblick rief Casper an, um noch einmal zu unterstreichen, wie besorgt er war, weil man Martyna Manderleys Mörder immer noch nicht dingfest gemacht hatte.
»Haben Sie schon Hinweise, irgendetwas?«, erkundigte er sich gebieterisch. »Was ist mit dem Liebhaber?«
»Sie meinen den Verlobten.«
»Ja, den. War er’s? Ich hoffe, er ist der Schuldige. Dann hat sich diese ganze Angelegenheit erledigt und kann zu den Akten.«
Honey hielt ihre Antwort schlicht: »Wir kommen voran.Gerade war jemand wegen einer vermissten Schauspielerin und Entertainerin bei mir.«
»Großer Gott! Sagen Sie bloß nicht, dass es jemand von Bedeutung ist! Keine von der Königin geadelte Mimin, hoffe ich?«
»Keine Berühmtheit, wenn Sie das meinen. Sie heißt Perdita Moody.«
Honey spürte beinahe die kleine, verdatterte Pause, ehe Casper reagierte.
»Ich könnte nicht behaupten, den Namen je gehört zu haben«, erklärte er wegwerfend. »Prioritäten, Honey! Prioritäten! Das ist der einzig richtige Ansatz! Der Mord hat höchste Priorität. Bitte vergessen Sie das nicht.«
Nachdenklich legte sie den Hörer auf. Im ersten Augenblick hatte Casper St. John Gervais ein wenig verblüfft gewirkt – beinahe als hätte ihm der Name etwas gesagt. Und er war nicht ungeduldig gewesen. War er etwa krank? Hatte er mit anderen Dingen zu tun? Andererseits, vielleicht hatte er einfach ein völlig neues Leben begonnen und versuchte jetzt, seine Ungeduld zu beherrschen?
Sei nicht albern, ermahnte sie sich. Sie überlegte, dass sie wahrscheinlich nur müde war und eine weitere Tasse Tee brauchte, um wieder Energie zu tanken. Sie schenkte sich eine zweite Tasse ein. Die Kanne war noch warm.
»Ich nehme an, dir ist entfallen, dass ich auch hier bin?«
Lindsey hockte auf der Schreibtischkante und schaute sie voller milder Verwunderung an.
»Natürlich nicht! Ich habe nur das Gefühl, als hätte ich überhaupt keine Energie mehr.«
»Ich glaube nicht, dass es das ist. Es ist diese Frau. Die hat dich angesteckt!«
»Meinst du nicht eher angeregt oder aufgeregt?«
»Nein, angesteckt. Sie ist der Typ, der Selbstgespräche führt und auf einem völlig anderen Planeten lebt als wir normalen Sterblichen.«
»Da hast du recht. Ich sollte mich auf das konzentrieren,was ich zu tun habe, und nicht die verlorengegangene Verwandtschaft verwirrter alter Damen suchen.«
»Es sei denn natürlich, sie bezahlen dich dafür. Hast du ihr gesagt, wie hoch dein Honorar ist?«
Honey hatte das Gefühl, als schrumpfte sie unter dem forschenden Blick ihrer Tochter auf Erbsengröße zusammen.
»Daran habe ich gar nicht gedacht. Ich habe nur überlegt, was für ein großer Zufall es ist, dass ihre Nichte vom Filmset verschwunden ist, ohne irgendjemandem mit einem Sterbenswörtchen zu verraten, wohin sie ging. Seltsam, nicht?«
»Seltsam hin oder her. Das Geld wächst nicht auf den Bäumen – und Privatdetektive auch nicht.«
»A propos Detektive, neulich hat mich Steve Dohertys Gesichtsausdruck so an Philip Marlowe erinnert – oder an einen der Schauspieler, die ihn im Film gespielt haben. Humphrey Bogart vielleicht? Oder Robert Mitchum?«
»O je. Graham hat übrigens gefragt, was die alte Dame hier wollte«, sagte Lindsey plötzlich.
Honey zwinkerte. »Graham?«
»Der Mann mit der Klappe, auf der mit Kreide die nächste Szene geschrieben steht.«
»Oh, der.«
»Ich habe ihm gesagt, ich hätte keine Ahnung. Da hat er mir erzählt, dass er sie vom Set her kennt. Sie hat da jede Menge Ärger gemacht, hat anscheinend dauernd gemeckert, dass sie sich nicht an die Fakten hielten. Sie hat sich darüber ziemlich in Rage geredet und musste schimpfend von drei Sicherheitsmännern vom Set geleitet werden.«
»Die haben drei Kerle gebraucht, um eine kleine alte Dame rauszuwerfen?«, fragte Honey kichernd.
Lindsey rutschte von der Tischkante. »Na ja, sie war bewaffnet.«
Honey begriff Lindseys Gesichtsausdruck sofort. »Sag bloß nicht, mit einer Hutnadel?«
»Erraten.«
Kapitel 18
»Hier, da hast du es zurück!«
Gloria Cross pfefferte das Satin-Korsett mit Schwung auf das Sofa in Honeys Wohnzimmer. Honeys Wohnung war in dem alten Kutscherhäuschen hinter dem Hotel untergebracht. Sie hatte das Häuschen etwas ungewöhnlich aufgeteilt: Wegen der schönen
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