Mord nach Drehbuch
ein leichtes Lockern des verkrampften Kiefers in der Ohrgegend zu beobachten.
»Könnte ich nicht behaupten.«
Er sprach so langsam, als müsste er all seine Erinnerungszellen einzeln durchsuchen. Honey legte ihm blitzschnell ein Foto vor.
»Die hier«, sagte sie und tippte auf die geheimnisvolle junge Frau.
Er machte eine wegwerfende Geste mit der rechten Hand. »Ich bekomme ziemlich viele junge Frauen zu sehen. Hat mit meiner Arbeit zu tun.«
»Verzeihung?«, fragte Honey nach.
Doherty nahm ihr das Foto aus der Hand. »Die Mitarbeiterim Hotel sind bereit, auszusagen, dass diese Frau einen Termin bei Ihnen hatte. Sie wurde von ihnen positiv identifiziert.«
Coleridge runzelte die Stirn. »Und was hat das mit dem Tod meiner Verlobten zu tun?«
»Vielleicht waren Sie ja in ihrem Testament bedacht?«
Coleridges männlich herber Teint lief puterrot an. »Das ist doch lächerlich! Ich habe selbst Geld!«
Honey drängte weiter. »Gibt es da nicht eine Klausel, die eine Filmproduktion gegen den Ausfall der Hauptdarstellerin versichert?«
Es sprach sehr für Coleridge, dass er beinahe aufrichtig wirkte, als er nun zu Doherty herumfuhr.
»Wie können Sie es wagen!«
Doherty zahlte mit gleicher Münze zurück. »Diese Frau …« Er tippte gleichfalls auf das Foto. »Hatten Sie eine Affäre mit ihr?«
Coleridge erbleichte. »Ganz gewiss nicht! Sie war nur eine …«
Honey spürte das kleine zufriedene Lächeln auf Dohertys Gesicht mehr, als dass sie es sah. Coleridges Nervosität hatte ihn dazu verführt, etwas zuzugeben, das bisher nicht ausgesprochen worden war.
»Nur eine was, Mr Coleridge?«, fragte Doherty.
Es sind die Augen, überlegte Honey. Ich kann es ihm an den Augen ablesen, dass er besiegt ist.
Sie hatte recht. Mit einem kurzen Nicken wurden die beiden Kleiderschränke fortgeschickt. Sie trollten sich, die Stiernacken zwischen die breiten Schultern eingezogen.
Coleridge wischte sich die Schweißperlen weg, die ihm auf die Stirn getreten waren. Er musste bemerkt haben, dass sie die auch gesehen hatten.
»Ich habe Gäste. Der ganze Raum ist voller warmer Speisen und warmer Luft.« Er versuchte es mit einem Grinsen.
Weder Honey noch Doherty glaubten ihm ein Wort.
Honey sagte, was sie dachte. »Sie sind offenbar ein eiskalterTyp – feiern schon rauschende Feste, ehe ihre Verlobte überhaupt unter der Erde ist.«
Sein Blick verhärtete sich. »Freunde und Familie. Das gemeinsame Essen war ihre Idee. Sie hatten das Gefühl, dass ich Ablenkung brauchte. Deswegen findet das Treffen so früh am Abend statt.«
Honey öffnete gerade den Mund, um anzudeuten, dass einen ja auch ein Treffen mit jungen Frauen in einem Hotelzimmer wirklich gut ablenken konnte und dass er das an dem Tag gemacht hatte, als man Martyna umbrachte.
Doherty fuhr rasch dazwischen. »Also, Perdita – und die anderen jungen Frauen?«
Der gute alte Steve! Honey spürte, wie ihr ganz warm ums Herz wurde. Sie waren einander so ähnlich, er und sie. Wieder einmal hatten sie genau das Gleiche gedacht. Sie machten die gleichen Gedankensprünge.
Coleridge blieb unbeirrt. »Junge Frauen? Welche jungen Frauen?«
»Ihre Nichten.«
»Ach die. Ich habe Vorstellungsgespräche geführt. Mir gehört ein sehr großer Nachtklub – Die Venusfalle –, vielleicht haben Sie schon einmal davon gehört.«
Honey und Doherty schüttelten beide den Kopf. »Wir sind nicht aus London.«
»Die Mädchen haben sich für das Varieté beworben. Dagegen gibt es doch kein Gesetz, oder?«
»Waren Sie allein?«, erkundigte sich Doherty. »Ich meine, mit Ausnahme der beiden Nichten?«
»Nein, es waren noch zwei andere junge Frauen da. Sie arbeiten auch im Klub. Es ist gut, sie dabei zu haben, für den Fall, dass man sich eine zweite Meinung einholen möchte.«
Irgendwie mochte Honey das nicht glauben. In ihr stieg die Erinnerung an Zoë Vallis ängstlichen Blick auf, und die ließ sich nicht vertreiben. Wovor hatte die junge Frau Angst gehabt? War Coleridge wirklich ein Zuhälter?
»Sind die Damen Tänzerinnen?«, fragte Honey.
Coleridge nickte. »Ja.«
»Bekleidet?«
Coleridge warf ihr einen abschätzigen Blick zu. »In welchem Jahrhundert leben Sie denn? Die tanzen an der Stange. Was für Tänzerinnen hätten Sie denn sonst in einem Nachtklub erwartet?«
»Haben Sie Miss Moody eingestellt?«, fragte Doherty.
»Nein. Ich habe ihr die Stelle angeboten, aber sie hat sie nicht genommen. Sie hatte Bedenken, sich auszuziehen. Ich habe ihr gesagt, dass es
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