Mord nach Drehbuch
natürlich nicht um Ballett ging. Was zum Teufel hatte sie sich denn gedacht?«
Doherty stellte eine weitere Frage. »Wissen Sie, wohin die junge Frau gegangen ist, nachdem sie Sie verlassen hat?«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Nach Hause? Oder zu einem anderen Vorstellungsgespräch. Sie sagte, dass sie noch andere Optionen hätte.«
»Haben Sie eine Ahnung, wo das gewesen sein könnte?«
»Das ist mir, ehrlich gesagt, egal. Mir liegt nur an meiner toten Verlobten. Was tun Sie denn in dieser Angelegenheit, Detective Inspector?«
»Unser Bestes.«
Unter dem kühlen Äußeren spürte man, wie sich Doherty die Nackenhaare sträubten. Honey hatte den überwältigenden Wunsch, die Hand auszustrecken und ihn zu berühren, ihm zu sagen, dass sie wusste, wie er sich fühlte, und dass er, wenn er wirklich nicht an sich halten konnte, nicht zögern sollte, Coleridge k. o. zu schlagen. Sie würde jedem, der es hören wollte, erzählen, dass es Selbstverteidigung war. Oder dass Coleridge die Treppe hinuntergefallen war.
Über Coleridges sonnengebräunte Züge legte sich wieder der Schimmer polierten Marmors. Seine Oberlippe verzog sich zu einem hämischen Grinsen.
»Sie haben keinen Schimmer, wer sie umgebracht hat, wie? Sie glauben, ich bin es gewesen, aber das stimmt nicht.«
Honey konnte das nicht so stehen lassen. Sie sah das elfengleiche Gesicht von Miss Cleveley vor sich.
»Und Perdita?«
Er wandte sich halb ab. »Vermisste Nutten tauchen alle irgendwann wieder auf. Das ist immer so. Sie wissen ja, wo die Tür ist.«
Plötzlich standen Doherty und Honey allein da und starrten auf ihre Spiegelbilder in den schimmernden Kupfertüren. Die gingen nur noch einmal auf, um die beiden Kleiderschränke wieder zum Vorschein zu bringen.
»Er hat recht«, sagte Doherty, als sie im Aufzug hinunterfuhren.
»Dass Perdita wieder auftauchen wird?«
»Nein. Dass wir keine Ahnung haben, wer Martyna Manderley ermordet hat.«
Kapitel 22
Sie schlenderten die Kensington High Street entlang. Doherty war in melancholischer Stimmung. Honey mochte es nicht, wenn er so gelaunt war. Ihr gefiel es besser, wenn er Spaß machte und witzige – und manchmal anzügliche –, schlagfertige Antworten gab. Er war nicht besonders erfreut darüber, dass sie sich mit der Frage nach der vermissten Perdita Moody eingemischt hatte.
»Wer zum Teufel hat schon so einen Namen«, grummelte er.
Honey musste zugeben, dass der Name sie auch nicht gerade für die Frau einnahm. Viel zu affig für ihren Geschmack, genau wie Araminta, Camilla oder Ariadne.
»Ich habe Miss Cleveley versprochen, dass ich mich darum kümmern würde. Sie hat mir mit der Hutnadel so geholfen.«
»Diese verdammte Hutnadel!« Dohertys Ton war verächtlich. »Wir waren hier, um Coleridge zu befragen, wo genau er war, als Martyna ermordet wurde.«
»Du vergisst, dass Perdita einen Termin bei ihm hatte.«
»Ach, zum Teufel mit Perdita. Die ist vermisst.«
»Sie könnte eine Zeugin gewesen sein, und er hat sie abmurksen lassen.«
Doherty schaute sie an, als hätte sie nun vollkommen den Verstand verloren.
»Honey, wir sind in South Kensington, nicht in der Bronx! Und Coleridge ist ein viele Millionen schwerer Geschäftsmann und kein Mafia-Pate.«
Sie zuckte die Schultern, während sie einer Gruppe von Touristen auswich, die sich aufgeregt in vielen verschiedenenSprachen unterhielten. Steve und Honey wurden durch diesen Menschenstrom voneinander getrennt.
»Das kann doch überall passieren«, schrie sie Doherty zwischen den Touristenköpfen hindurch zu.
Er brüllte zurück. »Nicht, wenn ich was damit zu tun habe!«
Die Gruppe war vorüber.
»Kann ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir hier waren, um ihm Fragen zu seinem Aufenthaltsort zu stellen?«, sagte Doherty, als sie wieder nebeneinander standen.
Honey grinste. »Wir wissen, wo er war. Er hat begehrenswerte junge Frauen begutachtet, von denen einige nur leicht bekleidet waren.«
»Wie schon vor mir manch einer gesagt hat: Das ist ein Scheißjob, aber irgendjemand muss ihn ja machen.« Er schaute auf die Uhr. »Zeit, nach Hause zu fahren. Wir könnten gerade noch den Zug um 16:15 ab Paddington schaffen.«
Honey blieb nachdenklich. Sie wusste, was in Doherty vorging. Er hatte einen Job zu erledigen, und zwar musste er Martyna Manderleys Mörder finden. Aber da war irgendwas an Miss Cleveley gewesen, das sie einfach nicht aus ihren Gedanken verbannen konnte. Und an dem Blick, den sie in Zoë Vallis Augen gesehen
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