Mord nach Drehbuch
Ordnung. Ich bin etwa um drei Uhr angekommen, die Empfangsdame hat mich bei ihm angekündigt,dann bin ich im Lift nach oben, ins Penthouse und wieder runter, alles in … lassen Sie mich überlegen … in einer Stunde? Ja. Insgesamt war’s eine Stunde.«
Honey gab Perdita ihre Handynummer. Sie versprach auch, Miss Cleveley zu beruhigen. »Aber warum rufen Sie nicht selbst bei ihr an?«
»Erstens macht sie so viel Theater, und ich habe noch jede Menge Proben, ehe wir auf Tournee gehen. Und zweitens hat Tante Jane kein Telefon.«
»Weil Jane Austen keins hatte.«
»Genau. Normalerweise rufe ich bei einer Nachbarin an. Sagen Sie ihr einfach, dass sie sich keine Sorgen machen soll. Und dass ich sie bald einmal besuchen komme. Ein weiterer Grund ist, dass ich im Augenblick kein Handy habe. Das passiert Leuten wir mir schon mal.« Perdita lächelte ein wenig traurig. »Ich gehe zum Klo, bücke mich, und platsch!, schon ist das Telefon im Wasser.«
Honey versprach, alles auszurichten. Nur eine kleine triviale Frage war ihr noch verblieben.
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Sie frage …?«
»Peter«, antwortete er, ehe sie noch zu Ende gesprochen hatte. »Mein Geburtsname war Peter.«
»Ihre Tante spricht von Ihnen, als seien Sie nie etwas anderes als eine Frau gewesen. Sie verdammt sie deswegen überhaupt nicht. Das muss Ihnen doch das Leben ein wenig erleichtern.«
Perdita – der Name passte zur Person – verkrampfte die Kiefer.
»Es hilft. Wir brauchen alle das Gefühl, geliebt zu werden. Haben Sie Familie?«
Diese Frage zauberte Honey freundliche Bilder vor die Augen, vor allem von Lindsey.
»Ja, ich habe eine Tochter. Sie ist achtzehn, wenn es mir auch manchmal vorkommt, als sei sie älter als ich. Sie ist so gescheit.«
Lindsey würde sich vor Verlegenheit winden, wenn sie dasjetzt hören könnte. Aber das war Honey egal. Sie war stolz auf ihre Tochter.
»Und dann habe ich noch eine Mutter, die auch in Bath lebt.«
»Wohnt sie bei Ihnen?«
»O nein!«, antwortete Honey heftiger, als sie vorgehabt hatte. »Sie ist eine sehr umtriebige Dame mit einer eigenen Wohnung und einem kleinen Geschäft, das Kleider aus zweiter Hand verkauft. Es heißt Second Hand Rose.«
»Das kenne ich!«, rief Perdita. »Wunderbare Klamotten! Ich habe da schon einiges gekauft. Die haben viele Sachen für TVs. Und manchmal ziemlich lange Kleider für tagsüber und Schuhe in großen Größen.«
TVs! Auf gar keinen Fall würde Honey ihrer Mutter verraten, dass sie in der Welt der Transvestiten so populär war! Und auch nicht, dass eine hochaufgeschossene Frau, deren wirklicher Name Peter war, sich in ihren Umkleideräumen getummelt und ausgezogen hatte.
Kapitel 26
Miss »Jane« Cleveley musste am nächsten Morgen unverzüglich informiert werden, beschloss Honey. Normalerweise hätte sie angerufen, um ihren Besuch anzukündigen. Aber Miss Cleveley lebte ja in der Vergangenheit. Sie hielt nichts von Telefonen, weil die heilige Jane – Jane Austen – sehr gut ohne eines ausgekommen war, und also konnte sie das auch. Honey hoffte nur, dass es bei ihr zumindest ein Wasserklosett gab, nur falls sie eines brauchen sollte. Derlei hatte Jane Austen nämlich auch nicht gekannt.
Das kleine Häuschen aus der Zeit König Georgs lag auf halber Höhe an einer schmalen Straße, die nach Camden führte, in ein Stadtviertel von Bath, das vom Stadtzentrum über steil bergauf führende Wege zu erreichen war.
Als Honey die richtige Adresse gefunden hatte, war sie so außer Puste, dass sie sich ausruhen musste und vornüber gesunken da saß, die Hände auf die Knie gestützt.
Wenige Minuten später brauchte sie keine Sauerstoffmaske mehr. Sie schnaufte noch ein paar Liter Luft in die Lungen und brachte endlich die Energie auf, die Hand zu heben und mit dem Türklopfer fest an die Tür zu hämmern.
Als Miss Cleveley erschien, war Honeys Atmung schon beinahe wieder normal.
Aus dem kleinen, herzförmigen Gesicht der alten Dame strahlten sie die blauen Augen an.
»Oh, meine liebe Mistress Driver, wie reizend, dass Sie mir einen Besuch abstatten. Ich sehe, dass Sie die Steilheit dieser Straße schmerzlich mitgenommen hat. Bitte, treten Sie doch ein. Ein kleiner Hauch aus meinem Riechfläschchen, und ich nehme an, dann sind Sie sogleich wiederhergestellt.«
Honey war beim Gedanken an Riechsalz nicht wohl. Es hatte ihr einmal jemand welches unter die Nase gehalten, als ihr im National Express Bus von London nach Bath schlecht geworden war.
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