Mord nach Drehbuch
Die vermischten Aromen von übervollen Bordtoiletten, Käsesocken und Cheeseburger waren einfach zu viel für sie gewesen.
Stattdessen bat sie Miss Cleveley um eine Tasse Tee.
»Aber gewiss. Ich werde sogleich ein Tablett für uns richten.«
Miss Cleveley geleitete Honey in ein hübsches kleines Zimmer. Auf der Tapete prangten winzige blaue Rosenknospen auf grauem Hintergrund. Die Türen, Fußbodenleisten und andere Holzelement waren im hellsten Hellblau gehalten. Die Möbel sahen aus, als hätte man sie aus Jane Austens Haus in Hampshire oder ihrer Wohnung in Bath entwendet. An den Fenstern hingen keine Gardinen, sie hatten nur Fensterläden im gleichen Blauton wie die Türen und Fensterrahmen.
Honey folgte Miss Cleveleys Aufforderung und nahm Platz. Sie wählte einen alten Polsterstuhl mit ausladender Rückenlehne.
Während in der Küche das Geschirr klapperte, betrachtete Honey ein Gemälde, das über dem Kamin hing. Der Porträtierte war ein jüngerer Mann in Armeeuniform. Er hatte ein hübsches, offenes Gesicht, und ein Mundwinkel war zu einem kleinen Lächeln hochgezogen. Das Bild sah recht modern aus. Honey fragte sich, wieso Miss Cleveley es gestattete, dass ein so zeitgenössisches Porträt in ihrem Haus hing. Aber andererseits war die Tatsache, dass es sich um ein Gemälde und nicht um ein Foto handelte, schon eine gute Näherung für ein Leben in der Vergangenheit.
Miss Cleveley trug ein Tablett herein. Das Geschirr sah aus, als wäre es von Crown Derby. Honey nahm ihre Teetasse und bemerkte, dass sie keinen Henkel hatte, genau wie die Tassen damals im achtzehnten Jahrhundert.
Na gut, überlegte sie. Einfach lächeln und ein SchlückchenTee nippen. Das schmiert die Stimmbänder. Ehrlich gesagt, machte sie sich um ihre Stimmbänder keine Sorgen. Die waren perfekt in Ordnung. Sorgen bereitete ihr nur das, was sie zu sagen hatte.
»Ich nehme an, Sie haben Perdita gesehen, und es geht ihr gut«, sagte Miss Cleveley.
Damit hatte sie Honey auf dem falschen Fuß erwischt. »Ja. Wie sind Sie denn darauf gekommen?« Sie rieb ihre Finger am Oberschenkel. Tassen ohne Henkel waren ein kleines Problem, wenn der Tee sehr heiß war.
Miss Cleveley ließ sich in einem Lehnstuhl mit vielen Tapeziernägeln nieder und schaute Honey mit einem Strahlen in den Augen an.
»Ich weiß, dass Sie sie gesehen haben. Und dass Sie ihr kleines Geheimnis kennen. Man kann es Ihnen an der Nasenspitze ablesen.«
Der heiße Tee und gleichzeitig die völlige Verblüffung darüber, dass Miss Cleveley eine derart tolerante alte Dame war, machten Honey nicht schlecht zu schaffen. Ehe sie am Ende noch die Tasse fallen ließ, stellte Honey das wertvolle Porzellan lieber zurück aufs Tablett.
»Ich verurteile sie nicht, weil sie so lebt, wie sie möchte«, sagte Honey.
Miss Cleveley nickte höflich.
»Das freut mich zu hören, meine liebe Mistress Driver. Bitte, meine liebe Dame, sehen Sie mich nicht so überrascht an, weil ich mit Toleranz von Perdita spreche. Perdita – oder Peter, wie sein Taufname war, hat seine Mutter über seine Situation in Kenntnis gesetzt, als er gerade eben dreizehn Jahre alt war. Meine Schwester seligen Gedenkens und ich haben alles miteinander geteilt, auch unsere finstersten Geheimnisse. Sie hat mich wissen lassen, dass sich die Umstände verändert hatten.«
Zu Honeys großer Verblüffung tauchte nun auf Miss Cleveleys Zügen ein Ausdruck auf, den man nur als kokett bezeichnen konnte.
Schließlich fand Honey ihre Sprache wieder. »Sie und Ihre Schwester scheinen sich sehr nah gestanden zu haben.«
»Fürwahr, die gute Seele. Wir hatten keine Geheimnisse voreinander, und wir haben uns alles geteilt, was wir hatten, sogar unsere Männer.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf den schmucken Offizier auf dem Gemälde. »Dieser äußerst vorzeigbare Herr ist Victor, der Mann meiner Schwester Emily – inzwischen verstorben, aber zu seinen Lebzeiten ein sehr großzügiger und kraftvoller Mann. Er hat sich hervorragend um uns beide gekümmert. Finden Sie nicht, dass er stattlich aussieht?«
Nun, da Honey ihre erste Überraschung wegen Miss Cleveleys Toleranz überwunden hatte, schien es ihr ungefährlich, die Hand wieder nach der Tasse auszustrecken und einen Schluck Tee zu nehmen. Bis sie begriff, was sie da gerade gehört hatte. Victor hat sich hervorragend um sie beide gekümmert? Was wollte sie denn damit andeuten?
Honey verschluckte sich beinahe. Hatte sie das in den falschen Hals bekommen? Hatte
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