Mord nach Drehbuch
Droge geworden. Hier verspürte sie einen Kitzel, von dem sie nie genug bekam.
Sie war wie die Königin mitten im Bienenstock, von den Arbeiterinnen umschwirrt, die ihr jeden Wunsch von den Augen ablasen. Alle, mit Ausnahme dieser blöden Kuh Sheherezade!
Da überlief sie ein kalter Schauer. So, wie sie sich im Augenblick fühlte, konnte sie auf keinen Fall vor die Kamera treten.
»Also ruhig. Beruhige dich. Augen schließen.«
Sie machte, was ihr Therapeut ihr geraten hatte. Sie holte ihre Furcht aus dem tiefsten Inneren herauf und ließ sie nach außen.
»Jeder hat Geheimnisse.« Sie wiederholte das dreimal, genau wie man es ihr geraten hatte.
Die Worte waren draußen, die Angst war draußen, aber eine unausgesprochene Furcht spukte noch immer in ihrem Hinterkopf. Manche Menschen haben eben dunklere Geheimnisse als alle anderen.
Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu verdrängen. Dann griff sie zum Telefon. »Boris? Ich habe noch nicht gefrühstückt.«
Am anderen Ende der Leitung verdrehte Boris die Augen. »Ich lasse dir ein Tablett bringen.«
»Und schick mir bloß nicht den Schlangenfraß von diesem Mist-Caterer. Ich esse diese Scheiße nicht. Ich will ein Frühstück aus dem Royal Crescent Hotel. Schick jemanden hin und lass mir eins holen.«
»Schätzchen, ich könnte dir einen Wagen schicken, und du könntest …«
»Nein! Ich habe hier noch zu tun,
Schätzchen
! Ich muss noch Text lernen und mich um mein Kostüm kümmern.«
Sie brach das Gespräch ab, ehe Boris Zeit hatte, ihr zu erläutern, dass ein Frühstück aus dem Royal Crescent Hotel wahrscheinlich kalt wäre, bis es sie erreichte.
Als Boris sein Mobiltelefon wieder in die Hülle steckte, bemerkte er, dass Sheherezade sein Gesicht aufmerksam betrachtete.
Boris knallte das Drehbuch hin, in dem er gerade gelesen hatte. »Diese Frau! Ich hätte es besser wissen müssen. Ich hätte sie nicht als Jane Austen besetzen dürfen. So wie sie sich beim letzten Dreh aufgeführt hat, den ich mit ihr gemacht habe. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich mir wünsche, sie würde über den Saum ihres Kleides stolpern und sich ein Bein brechen – buchstäblich Hals- und Beinbruch. Jetzt will sie ein Frühstück – ausgerechnet aus dem Royal Crescent Hotel.«
»Das habe ich mitbekommen. Und unser göttlicher Superstar ist nicht bereit, sich von seinem Hintern zu erheben und dorthin zu gehen?«
Er schüttelte ratlos den Kopf. »Nein. Sie ist in einer ziemlich aufmüpfigen Stimmung und will vorne und hinten bedient werden. Ich glaube, sie hat gerade wieder mit ihrem Verlobten telefoniert. Danach muss immer alles noch mehr nach ihrem Willen gehen. Wahrscheinlich hat es was mit dem Klirren goldener Geldberge zu tun«, fügte er bitter hinzu. »Ihm gehört die Produktionsgesellschaft – wenn auch nur zum Teil –, und sie hat ihn in der Tasche.«
»Den? Diesen miesen kleinen Gauner?«
Sheherezade Parker-Hensons Stimme klang verächtlich, aber ihre schlechte Meinung war verdammt zutreffend.
»Martyna weiß immer alles besser«, sagte Boris bitter und verdrehte noch einmal die Augen.
Sheherezade tätschelte ihm beruhigend die Schulter.»Überlass das mal mir. Ich regele das mit dem Frühstück. Hast du noch ein Drehbuch für mich? Meins ist irgendwie verschwunden.«
»Klar.«
Er reichte ihr ein überzähliges Exemplar. Er hatte drei Kopien, aber nur er und der Regieassistent brauchten eine eigene. Zwei reichten.
Nun war Boris endlich allein. Er rieb sich nachdenklich die Stirn. Ärger, überlegte er. Dieser Job bringt nichts als Ärger. Warum habe ich bloß das Angebot nicht angenommen, an der UCLA zu unterrichten? Natürlich kannte er die Antwort: Es kam einem Todesurteil gleich, wenn man sich nach Kalifornien absetzte und dort Vorlesungen hielt. Nie wieder würde er dann bei einem so tollen Projekt mit einem so großen Star Regie führen. Niemals. Er musste einfach durchhalten.
Die Garderobiere tauchte auf und fragte ihn, ob er sich ihre Kamera ausgeliehen hätte. Irgendwie musste sie wohl an seiner Körperhaltung ablesen können, dass die Antwort »nein« gewesen wäre, wenn er sich zu einer Antwort hätte aufraffen können. Sie verschwand einfach wieder, leise etwas über verdammte Diebe und Schurken vor sich hin murmelnd. Er verstand es nicht ganz. Es war ihm auch egal. Sie lagen im Zeitplan weit zurück. Es würden Köpfe rollen. Er hoffte nur, dass seiner nicht auch dabei sein würde.
Brett Coleridge lag im Bett, flankiert von
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