Mord nach Drehbuch
Garderobenabteilung.
Heute hatte man ihn in eine schmutzige Jacke mit zerrissenen Ärmeln und in geflickte Hosen gesteckt und mit einem zerbeulten Zylinder ausstaffiert.
»Was ich nicht alles für meine Heimatstadt auf mich nehme«, klagte er, als er Honeys Gesichtsausdruck bemerkte.
»Ziemlich verwegen«, meinte Honey, die sich alle Mühe gab, wenigstens die Warze von ihrer Nase zu popeln. Das ging gar nicht gut.
»Sind die für heute mit uns fertig?«
Er deutete mit einem Nicken auf das Tatortzelt im Park, das man neben den Zelten der Produktionsgesellschaft aufgeschlagen hatte. Dieses Zelt und das, was einmal der Makeup-Wagen gewesen war, hatte man weiträumig mit blauem Band abgeflattert. Die Spurensicherung und die Forensik würden wahrscheinlich noch eine Weile hier zu tun haben. Der Pathologe war schon wieder weg.
»Lust auf einen Kaffee?«, fragte Honey Casper.
»So nennt der das Gebräu also«, antwortete Casper grimmig. Bei Casper konnte man gewiss nicht damit punkten, dass einem Harrison Ford die Cottage Pie aus der Hand fraß. Casper war sehr pingelig, wenn es ums Essen ging, und Cottage Pie gehörte mit Sicherheit nicht zu seinen Leib- und Magenspeisen.
»Kein Wort mehr!«
»Was habe ich denn gesagt?«
»Sie haben den Kaffee kritisiert.«
»Stört Sie das?«
»Nein, mich nicht, aber unseren freundlichen Koch hier schon. Der kann Kritik an seinen Kochkünsten nicht verknusen – das Kaffeekochen eingeschlossen.«
Casper zog ungläubig die Augenbrauen in die Höhe. »Nennen Sie mir einen einzigen vernünftigen Grund dafür, warum ich ihm nicht sagen sollte, dass das Gebräu nicht meinem Geschmack entspricht?«
»Dieser Typ sieht und hört alles, was am Set hier sehens- und hörenswert ist. Ich muss ihn bei Laune halten, wenn wir den Fall jemals lösen wollen«, erklärte Honey.
»Nun, ich nehme an, ich könnte mir eine Flasche Coca Cola gönnen.« Plötzlich hellte sich Caspers Miene auf. »Oder halten Sie es für wahrscheinlich, dass unser Caterer frischgepressten Orangensaft hat?«
Honey brachte es ihm schonend bei. »Eine der anderen Statistinnen hat mir gesagt, dass er eigenen Fruchtsaft mitbringt. Ich bin nicht sicher, was da drin ist, doch er hat eine sehr merkwürdige Vorstellung von der Haute Cuisine. Aber er hat auch den Orangensaft aus der Packung, den Sie in jedem Supermarkt kaufen können.«
»Ich kaufe nicht in Supermärkten ein.«
»Er behauptet, dass er schon die leuchtendsten Sterne am Himmel von Hollywood bekocht hat.«
»Dann sind da die Ansprüche offensichtlich noch tiefer gesunken«, murmelte Casper.
Honey pflichtete ihm bei, dass Hollywood heutzutage wirklich kein Maßstab mehr war. Bei ihrem letzten Besuch hatte es eindeutig seine besten Zeiten längst hinter sich gehabt.
Ein paar Statisten mit rosigem Teint und Strohhüten oder Zylindern scharten sich noch um den Verpflegungswagen von Richard Richards. Die meisten hatten sich heiße Getränkeund etwas zu essen geholt und machten sich so schnell wie möglich auf den Weg zum Doppeldecker. Ein paar hatte man schon nach Hause gehen lassen. Allerdings wurden die Namen und Adressen aller Mitwirkenden aufgenommen, falls man sie noch brauchen würde.
Casper machte ein finsteres Gesicht, während Honey für ihn bestellte.
»Kaffee für mich und …« Sie schaute misstrauisch zu Casper. Er stand da, hatte die Arme auf dem Rücken verschränkt und schaute weder sie noch Richard Richards an.
»Auch einen Kaffee für Sie, Sir?«, erkundigte sich Richards.
Honey beschlich ein mulmiges Gefühl, als Casper seine Augen zu Schlitzen verengte und Richards anstarrte.
»Da würde ich lieber mein Badewasser trinken!«
Das kam gar nicht gut an. Casper war bekannt dafür, dass er mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt. Soweit Honey wusste, hatte ihm bisher noch niemand zum Dank für seine ehrliche Meinung eins auf die Nase gegeben. Aber einmal war ja immer das erste Mal. Sie betete, dass es nicht ausgerechnet heute sein würde.
Honey erstarrte. Ebenso Richard Richards, wenn auch nur einen Augenblick lang. Dann lief sein Gesicht puterrot an. Seine kastanienbraunen Augen drohten aus dem Kopf zu springen.
»Es war wirklich ein schrecklicher Morgen«, platzte Honey heraus. »Na ja, mit diesem zweiten Mord und so. Und ich kriege diese blöde Warze nicht von der Nase. Haben Sie Coca Cola?«
Sie lächelte Richards aufmunternd an, während sie diese Frage stellte. Zumindest hoffte sie, dass ihr Lächeln aufmunternd war und
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