Mord nach Drehbuch
Körper anfing, mit einem Feuchtigkeitsbad und danach mit einigen Lotionen fortgesetzt wurde. Erst danach entschied sie, was sie anziehen würde, und legte ein passendes Make-up auf.
Honey saß im Büro hinter dem Empfang über den Rechnungen ihrer Lieferanten und grübelte, anstatt sie zu bezahlen. John Rees hatte versprochen, bei ihr anzurufen. Doherty hatte ein paar spitze Bemerkungen über verdammte amerikanische Bücherwürmer gemacht. Ob ihm nun die Bücher oder die amerikanische Herkunft gegen den Strich gingen, hatte Honey nicht herausfinden können. Aber es war toll, so gefragt zu sein.
Lindsey brachte ihr eine Tasse Kaffee.
»Du hast Besuch.«
Aus ihren Träumen aufgeschreckt, schaute Honey auf das frische Gesicht und das pflaumenblaue Haar ihrer Tochter.
»Hattest du diese Haarfarbe letzten Monat auch schon?«
»Ähnlich, nur ein anderer Farbton.«
»Und nächsten Monat?«
»Wer weiß«, antwortete Lindsey mit einem tiefen Seufzer. »Kommt drauf an.«
Worauf wohl?, überlegte Honey, fragte aber nicht. Es schien ihr, als hätte Lindsey im Monatsrhythmus die Haarfarbe gewechselt. Doch vielleicht verging einfach die Zeit heutzutage viel schneller. Und hatte Lindsey da eine Halskette umhängen, oder war das nur der angesagte iPod des Monats?
Haarfarbe und Tochter wurden jedoch nur kurz begutachtet. Was Honeys Herz wirklich bis zum Hals schlagen ließ, war die Nachricht über den Besuch. Es musste einfach John Rees sein.
»Der ist aber früh dran.« Selbst in ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme etwas atemlos. Wie die eines albernen Teenagers.
»Es kein Er, es ist eine Sie.«
Futsch waren Euphorie und Herzklopfen.
»Oh!«
Lindsey zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. Die Andeutung eines Lächelns spielte um ihre Mundwinkel. Sie wandte sich um und wollte schon gehen, hielt dann aber noch einmal inne. Volle Absicht, überlegte Honey.
»John Rees hat angerufen und gesagt, dass er es heute Morgen nicht wie versprochen auf einen Kaffee schafft. Er meldet sich wieder bei dir.«
Was war bloß los mit diesem Mann? Sie waren wie ein Paar beim Square Dance – erst tanzten sie ein paar rasche Schritte aufeinander zu, dann wieder auseinander.
Honey blätterte in ihren Papieren und gab vor, sich zu räuspern.
»Macht nichts. Ich habe jede Menge zu tun. Wer will mich denn sehen?«, fragte sie, weil sie lieber das Thema wechselte, als unangenehme Fragen abzuwehren.
Lindsey hatte noch immer diesen wissenden Ausdruck auf dem Gesicht. Honey gab sich alle Mühe, ihn zu ignorieren.
»Es ist diese seltsame kleine Frau, die so merkwürdig redet. Ich glaube sie ernährt sich von
Stolz und Vorurteil
zum Frühstück,
Die Abtei von Northanger
zum Mittagessen und
Vernunft und Gefühl
am Abend.«
Honey blieb hinter ihrem Schreibtisch sitzen und wartete darauf, dass Miss Cleveley auftauchte. Es vergingen einige Minuten, doch die Tür blieb geschlossen. Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Da sah sie doch am besten einmal nach. Vielleicht hatte sich die alte Dame verlaufen oder ihre Pläne geändert oder war zur Toilette gegangen.
Sie machte die Tür auf und geriet mitten in ein Streitgespräch. Auf der anderen Seite des Empfangstresens standen zwei ältere Damen und hatten sich heftig in der Wolle.
Obwohl Mary Jane Miss Cleveley haushoch überragte, erinnerte sie eher an einen kläffenden Terrier. Miss Cleveley wehrte sich tapfer.
Im Augenblick war Mary Jane am Zug.
»Zum Teufel! Sie schnattern ja wie ein Entenhintern. Hauptsache, ihr bringt das Buch auf die Filmleinwand, sage ich! Okay, also die Typen in Hollywood leisten sich ein bisschen dichterische Freiheit …«
»Dichterische Freiheit? Schon eher dichterischen Schwachsinn! Die liebe Jane würde sich im Grabe herumdrehen, wenn sie wüsste, welche unflätigen …«
Honey stöhnte leise. Offensichtlich hatten sich die beiden bereits näher miteinander bekanntgemacht und festgestellt, dass sie beim Thema Verfilmung von Klassikern keineswegs einer Meinung waren.
Die exzentrische Mary Jane war Filmfan durch und durch.
Sie liebte die gigantischen Kostümdramen aus Hollywood wie
Braveheart
oder
Gladiator
. Was machte es schon, wenn die Regisseure ein paar Fakten durch Fiktion ersetzten? Einzig die gute Story zählte! In dieser Hinsicht war Mary Jane ein williges Opfer, und es ging ihr nur um den Unterhaltungswert. Miss Cleveley dagegen schien eher penibel an Fakten und akkuraten Details zu hängen.
Lindsey huschte zwischen den beiden hin und her und murmelte
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