Mord nach Drehbuch
wie immer, trotz der Lumpen, die er am Leibe trug.
»Was geschieht jetzt?«, fragte Honey Doherty, sobald Casper im Garderobenzelt verschwunden war.
»Wir trommeln die üblichen Verdächtigen zusammen.«
»Hast du welche?«
Doherty grinste – ein wenig zu traurig für einen Scherz. »Ich wünschte, es wäre so einfach.«
Honey wartete geduldig darauf, dass er die Frage beantwortete, die ihr auf der Seele lag.
Doherty las sie ihr von den Augen ab. »Sie wurde erstochen.«
»Mit einer Hutnadel?«
»Nein, mit einem Kamm.«
Sie runzelte die Stirn. Sollte das ein Witz sein? »Mit einem Kamm?«
»Ja mit einem Stielkamm. Benutzt ihr Mädels solche Dinger nicht, um euch die Haare zu toupieren oder Strähnen abzuteilen oder was auch immer?«
»Mehr oder weniger.« Honey schüttelte den Kopf. »Ich werde nie wieder eine Hutnadel oder einen Stielkamm ansehen können, ohne eine Gänsehaut zu kriegen.«
Sie bemerkte, dass Doherty sie verwirrt anschaute und dabei den Kopf auf die Seite geneigt hielt wie ein neugieriger Sperling.
»Du denkst heftig nach«, konstatierte sie.
»Ich habe mir nur gerade überlegt, dass der Mörder sehr viel Kraft aufgewandt haben muss. Der muss sehr stark sein.«
»Bedeutet das, dass es ein Mann war?«
»Oder eine sehr wütende Frau. Eine ziemlich starke.«
Jetzt war es an Honey, ihn nachdenklich anzusehen.
»Warum wurde sie also ermordet?«
Er zuckte die Achseln. »Ich habe keine Ahnung … es sei denn …« Seine tiefblauen Augen verengten sich wieder. »Hat Miss Cleveley nicht gesagt, dass Sheherezade eine Affäre mit Martyna Manderley hatte? Wenn wir mal von unserem Busenfreund Coleridge absehen, ist es möglich, dass noch eine dritte Partei involviert war? Ich nehme an, auch bei Lesben gibt es Dreiecksbeziehungen und Eifersuchtsdramen?«
»Habe ich mir sagen lassen«, antwortete Honey. Sie bemerkte, dass Doherty wieder sehr müde aussah, wie immer, wenn sich die Mordfälle häuften. »Ich gehe davon aus, dass du unserer süßen kleinen Candy auch ein paar Fragen stellen willst.«
»Man hat ihr mitgeteilt, dass sie mit meinem Besuch rechnen sollte. Sie wohnt im Francis Hotel.«
»Ich komme mit.«
»Das könnte nützlich sein, allerdings nur unter einer Bedingung. Mach, dass du diese Warze loswirst. So kann ich mich mit dir nicht sehen lassen.«
»Die ist nicht angewachsen. Das ist Schminke. Ich sollte eine Apfelfrau darstellen – eine Straßenverkäuferin, die Äpfel an reiche Leute verhökert. Die brauchten auch schon damals ihre täglichen Vitamine.«
»Wenn ich dich nicht ziemlich gut kennen würde«, meinte Doherty, »hätte ich dich niemals erkannt.«
Diese flapsige Bemerkung drang gar nicht bis zu ihr vor. Plötzlich durchfuhr sie ein Gedanke.
»Das Opfer hatte ein tolles Händchen für Make-up!«, rief sie. »Vielleicht hat jemand ihre Dienste in Anspruch genommen und nicht gewollt, dass sie etwas davon erzählt.«
Doherty war plötzlich ganz aufmerksam. »Du meinst, einer von den Leuten, die an jenem Morgen in Martynas Wohnwagen gegangen sind …«
»… war nicht die Person, für die Richard Richards ihn oder sie gehalten hat, dank ein bisschen Schminke.«
»Aber wer? Das ist die Frage, Tonto.«
»Genau darauf brauchen wir eine Antwort, Kemo Sabe. Und da können wir genauso gut beim Verpflegungswagen anfangen. Bei Richard Richards. Dem Meister der Fleischpastete. Dem König des Rhabarberkompotts.«
Es war nur logisch, dass sie zu Richards’ Wagen zurückkehrten. Doch als sie dort ankamen, war der Oberkoch nicht da.
»Wir würden gern mit dem Besitzer sprechen«, sagte Honey.
Ein großer Typ mit roten Haaren und sommersprossigem Gesicht grinste zu ihnen herunter. »Das bin ich.«
»Ich meinte Richard Richards.«
»Ich bin Richard Richards.«
»Aber wer war dann …?«
Kapitel 31
Am nächsten Morgen lief alles gemächlich an. Nach dem Schock des Vortags fand Honey es im Green River Hotel angenehm ruhig, obwohl Mary Jane vor dem Haupteingang auf dem Boden saß und irgendeine uralte tibetanische Formel vor sich hin sang. Damit könne sie blaue Dämonen mit roten, blutbefleckten Zungen abwehren, meinte sie.
Es würde ein schöner Tag für alle werden. Die Mitarbeiter waren pünktlich und nüchtern zum Dienst erschienen, und für einen Auftritt von Honeys Mutter war es noch zu früh. Die war mit Wichtigerem beschäftigt.
Gloria Cross unterzog sich täglich einem ausgeklügelten Schönheitsprogramm, das mit einer Auswahl von Peelings für Gesicht und
Weitere Kostenlose Bücher