Mord nach Liste
ihrem Schreibtisch. Wie alt und ausgelaugt sie sich plötzlich fühlte! Regan zog einen Stuhl hervor und setzte sich. Vielleicht war es doch gar keine so schlechte Idee, mit Spencer nach Melbourne zu fliegen. Die veränderte Umgebung könnte ihr guttun. Regan seufzte. Kaum war ihr der Gedanke durch den Kopf gegangen, wies sie ihn zurück. Sie würde nicht fortlaufen. Wenn sie nach Melbourne ging, dann nur aus freien Stücken.
Sie überlegte, Sophie und Cordie anzurufen. Nach einem Gespräch mit ihren Freundinnen fühlte sie sich immer besser, aber wenn die beiden merkten, wie schlecht es Regan ging, würden sie sich noch mehr Sorgen um sie machen. Und wenn das Thema auf Alec kam – früher oder später würde das passieren –, dann wäre es ganz vorbei mit ihrer Selbstbeherrschung. Eine Heulsuse zu sein war ja bei ihren Freundinnen eine Zeit lang in Ordnung, aber nicht hier und jetzt.
Vom Sofa aus beobachtete Alec Regan mit traurigem, geistesabwesendem Blick. Sie war blass und hatte die Stirn gerunzelt.
Lyle Bradshaw kam herein. In seinem dunklen Nadelstreifenanzug und dem weißen Hemd sah er aus, als sei er auf dem Weg zu einer Hochzeit. Die gewagte rote Krawatte war der einzige Farbtupfer. Wie immer saß seine Frisur tadellos. Im Vergleich zu ihm wirkte Alec, als wolle er die Garage aufräumen.
Wincott beobachtete alles von der anderen Seite des Raumes. Lyle musterte Regan, Alec belauerte Lyle, und sein Gesichtsausdruck war nicht gerade freundlich.
»Der Brief und der Umschlag liegen auf Henrys Schreibtisch«, verkündete Wincott, damit das stumme Starren ein Ende hatte.
»Fingerabdrücke werden wir nicht drauf finden«, erklärte Lyle auf dem Weg zum Schreibtisch.
»Trotzdem kommt das als Beweismittel ins Labor«, gab Alec zurück.
Lyle schien sich nicht an Alecs feindseligem Tonfall zu stören, Wincott schon. Er löste die Spannung, indem er mit den beiden Kollegen ins Vorzimmer ging, um dort die neuesten Entwicklungen des Falles zu besprechen.
Sobald Regan allein war, schaltete sie den Computer an und versuchte, E-Mails zu beantworten. Hauptsache, sie war beschäftigt.
Henry schaute kurz herein, um sich zu verabschieden. Sie schlug ihm vor, am Montag freizunehmen, aber davon wollte er nichts wissen. »Was ist, wenn noch so ein Brief kommt oder irgendwas anderes passiert? Dann will ich hier sein … kann ja sein, dass du mich brauchst.«
Was für ein lieber Kerl! »Gut«, meinte Regan. »Aber schlaf zu Hause und komm etwas später zur Arbeit.«
»Ich versuch’s«, versprach er. Bevor er ging, fiel ihm noch etwas ein: »Wir dürfen keinem von der neuen Liste und der Toten erzählen.«
»Ich weiß.«
»Ich wundere mich schon die ganze Zeit, dass die Sache noch nicht an die Presse durchgesickert ist, wo doch so viele Personen an dem Fall beteiligt sind.«
»Ich glaube nicht, dass die Sicherheitsleute irgendwas Genaues wissen«, entgegnete Regan.
»Sophie würde uns umbringen, wenn eine andere Zeitung mit der Meldung rauskäme. Gut, ich bin jetzt weg. Bis morgen.«
»Pass auf dich auf, Henry.«
Kaum war die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, wurde sie wieder aufgestoßen. Aiden kam ins Zimmer gestürmt.
»Spencer und ich haben gerade von dem Brief erfahren. Alec hat mir von der Ermordeten erzählt. Mein Gott, das hättest du sein können, Regan!«
»Ja, ich weiß«, sagte sie leise.
»Hör zu, Spencer und ich machen nichts mehr, bis dieser Irre endlich gefasst ist. Vielleicht ist es besser, Walker zurückzuholen.«
»Nein, tu das bitte nicht! Du weißt doch, wie er die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Reporter lassen ihn nicht in Ruhe, und wenn einer von denen Wind von der Sache bekommt …«
»Hm«, machte Aiden.
»Er soll nicht kommen«, beharrte Regan. »Ich fände es auch besser, wenn Spencer und du so weit wie möglich von mir entfernt wärt und wenn ihr Cordie, Sophie und Henry mitnehmen würdet. Keiner von euch ist in meiner Nähe sicher. Wenn euch irgendwas zustoßen würde oder …« Ihre Stimme brach.
»Ich bleibe hier«, wiederholte Aiden. »Hör auf, dir Sorgen um uns zu machen. Du hast selbst genug um die Ohren, und du musst stark bleiben.«
»Mir geht’s gut, du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Ich knicke nicht ein.«
Aiden lief im Zimmer herum, bis er sich abreagiert hatte. Er schien von Regan persönlich hören zu müssen, dass sie in guten Händen war, dass Alec und John den Verrückten dingfest machen würden und dass es ihr gut ging.
Als Aiden in der Tür
Weitere Kostenlose Bücher