Mord nach Liste
erhalten, aber seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wollte er lieber jemanden büßen sehen. Sweeney dachte, Buchanan sei sauer auf den ahnungslosen jungen Kollegen, doch nach einer guten Minute erkannte er, dass Buchanans Wut sich auf Lewis richtete. Vielleicht weil Buchanan Tanner zugeteilt worden war, den alle auf dem Revier für eine tickende Zeitbombe hielten.
Da kam er auch schon … Tanner lief durch den Raum, unverhohlenen Hass im Gesicht. Er schob einen Polizisten zur Seite und riss die Tür zum Büro des Lieutenants auf. Noch ehe er die Tür hinter sich schloss, schrie er los.
Das hier war besser als die alten Filme im Fernsehen. Jetzt fehlten nur noch Bier und Popcorn.
»Was ist denn da los?«, rief ein Kollege vom anderen Ende des Raumes.
»Buchanan versucht, dem Jungen den Arsch zu retten. Tanner will ihn rausschmeißen«, antwortete einer.
Sweeney verdrehte die Augen. Ein selbstgerechter Heiliger, das war dieser Buchanan. Sweeney fand es herrlich, wie Lewis völlig aus der Fassung geriet. Sein Gesicht lief knallrot an. Vielleicht kriegte er gleich einen Herzinfarkt? Das wäre doch mal was!
Wieder schaute Sweeney auf die Uhr. Noch fünfzehn Minuten. Er hatte Brand wie eine Bergziege. Er musste schleunigst hier raus, um etwas zu trinken. Der Lieutenant achtete gerade nicht auf ihn. Sweeney drehte sich zu seinem Computer um, schob die Unterlagen zurück in die Akte und stopfte den Ordner in die »Scheißegal«-Schublade. Er drückte seinen Stuhl nach hinten und blickte auf. In dem Moment kam ein heißer Feger die Treppe herauf. Er konnte den Blick nicht von der Frau abwenden. Als sie am Empfang stand, lief ihm fast schon der Speichel aus dem Mund. Und er war nicht der Einzige. Der Geräuschpegel im Raum sank merklich, und Sweeney wusste, dass seine Kollegen die Kleine ebenfalls von oben bis unten musterten.
Einer seiner devoten Kollegen am anderen Ende des Raumes sprang beinahe über seinen Schreibtisch, um ihr so schnell wie möglich zu Hilfe zu eilen. Er versperrte Sweeney die Sicht. Sweeney schielte nach hinten. Im Büro des Lieutenants wurde immer noch gestritten.
Der Kollege, der so schnell herbeigeeilt war, wies missmutig auf Sweeney. Die Frau wich den kreuz und quer stehenden Schreibtischen aus und steuerte auf Sweeney zu. Hastig rückte er seine Krawatte zurecht, um den Ketchupfleck zu verdecken, zog den Bauch ein und holte geschäftig einen Ordner aus der Schreibtischschublade.
Sie sah wirklich toll aus: volle, sinnliche Lippen, von ihren weiblichen Kurven und den langen Beinen ganz zu schweigen. Vielleicht war sie ja eine von diesen Prostituierten, von denen er gehört hatte, ohne jemals eine zu Gesicht bekommen zu haben. Eine Edelnutte, bei der eine Nacht tausend Dollar kostete. Na, dann hätte er ja vielleicht mal Schwein! Er glaubte, gerissen genug zu sein, um sie mit irgendeinem Trick zu einer Gratisbehandlung zu bewegen. Daran könnte er sich dann an langen einsamen Abenden zurückerinnern. Er malte sich aus, wie sie vor ihm kniete, wie ihre langen Locken seine Schenkel kitzelten …
Schluss damit! Sweeney riss sich zusammen, bevor er zu geil wurde. Sein Stuhl knarrte, als er sich zurücklehnte. Er sah ihr entgegen. Die Alte hat Stil, dachte er. Zu viel Stil für eine Edelnutte. Sein Blick fiel auf den Saphirring an ihrem Finger. Der war garantiert echt. So eine Frau trug keine falschen Steine. Links hatte sie keinen Ring, also stammte der Saphir nicht vom reichen Ehemann. Entweder hatte sie einen vermögenden Vater oder einen älteren Liebhaber, der alles bezahlte. Sweeney, zynisch bis auf die Knochen, tippte auf Letzteres. Die Kleine stank förmlich nach Geld. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, etwas davon abzubekommen, begann sein Hirn zu rasen.
Vielleicht würde sie sein Volltreffer sein. Jeder hatte sein kleines Geheimnis, selbst vornehme Frauen wie sie. Sweeney fuhr sich in freudiger Erwartung mit der Zunge über die Lippen, dann rief er sich zur Ordnung. Sei doch nicht albern, sagte er sich. Er kniff die Augen zusammen und beobachtete die Kleine. Tief in seinem Inneren wusste er, dass sie eine Klasse zu hoch für ihn war. Und das nahm er ihr übel. Sie hatte diese reiche, reine Aura, die man nur noch selten sah. Ihre blauen Augen waren eine Nuance heller als der Stein an ihrem Finger. Reich und schön, definitiv nicht seine Kragenweite.
Die Frau blieb vor seinem Schreibtisch stehen. Bevor sie etwas sagen konnte, fragte er: »Kann ich Ihnen helfen?« Ihm war
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