Mord nach Liste
bewusst, dass es mürrisch klang. Doch das war ihm egal.
»Detective Sweeney?«
Sein nikotingelber Finger wies auf das Namensschild vor ihm, doch dann merkte er, dass es verkehrt herum stand. Er beugte sich vor, drehte das Schild um und kippte dabei einen halben Becher kalten Kaffee über seine Tastatur. Vor sich hin fluchend, nahm er ein Papiertuch und wischte sie trocken.
»Das bin ich, Kleine. Ich bin Detective Sweeney.«
Er sah ihr an, dass sie nicht gerne »Kleine« genannt wurde. Sie kniff die Augen leicht zusammen. Die ist zäh, dachte er. Es war ihm egal, wenn sie sich von ihm schlecht behandelt fühlte. Warum sollte er sich die Mühe machen, höflich zu sein, wenn ihm längst klar war, dass er bei ihr nicht die geringste Chance hatte? Außerdem wartete sein guter Freund Jack Daniel’s auf ihn.
»Mein Name ist Regan Madison«, stellte sie sich vor, legte ihre Tasche auf den Plastikstuhl gegenüber von Sweeneys Schreibtisch und blieb daneben stehen.
»Wollen Sie ein Verbrechen anzeigen?«
»Nein. Eine Freundin von mir, Cordelia Kane, hat mich gebeten, vorbeizuschauen und in Erfahrung zu bringen, ob in Bezug auf ihre Beschwerde gegen einen Psychologen namens Dr. Lawrence Shields irgendwelche Fortschritte gemacht wurden.«
Er gab gar nicht erst vor zu wissen, von wem sie sprach. »Gegen wen?«
Sie wiederholte ihren Satz Wort für Wort. Noch immer wusste Sweeney nicht, von wem oder was sie sprach. Er druckste herum und suchte nach den üblichen tröstenden Floskeln, mit denen er sich bei telefonischen Anfragen immer herauswand. »Ahm ja … die Ermittlung ist im Gange.«
»Und was genau haben Sie bisher unternommen?«
»Sehen Sie … da müssten Sie meinem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge helfen. Ich habe so viele Fälle, die ich im Blick behalten muss …«
Er hielt inne und gähnte laut. Was für eine unglaubliche Zeitverschwendung, dachte Regan. Cordie hatte recht: Sweeney war abscheulich und offensichtlich inkompetent. Seine Gleichgültigkeit machte sie wütend.
Außerdem war er ein Lüstling. Er war so sehr damit beschäftigt, ihr in den Ausschnitt zu glotzen, dass er ihr nicht in die Augen sehen konnte. Sie musste sich zusammenreißen, um zu erklären, wer Shields war und was er Mary Coolidge angetan hatte. Als sie fertig war, blickte Sweeney immer noch verständnislos drein.
»Ihre Freundin … wie war noch mal der Name?«
»Cordelia Kane.«
»In welchem Verhältnis stehen Sie zu ihr?«
»Wie bitte?«
»Ich habe gefragt, in welchem Verhältnis Sie zu ihr stehen.«
»Cordelia ist meine Freundin.«
»Nein, nicht zu der. Zu der anderen Frau. Die, die sich umgebracht hat.«
»Sie hieß Mary Coolidge.«
»Aha.«
Er machte ihr deutlich, dass ihn ihre Ausführungen nicht im Geringsten interessierten. Seine Augen waren halb geschlossen, ständig gähnte er ungeniert. Herrgott, was für ein Idiot, dachte Regan. Wenn er sich noch weiter zurücklehnte, würde er gleich auf dem Hosenboden sitzen. Allmählich wünschte sie ihm wirklich Schlechtes.
»Ich würde gerne mit Ihnen über die Ermittlung sprechen, Detective Sweeney. Haben Sie eine Vorstellung …«
Er winkte ab und unterbrach sie. »Ach, jetzt fällt es mir wieder ein. Wie ich Ihnen bereits sagte, ich habe so viele Fälle, dass es manchmal schwierig ist, alle im Kopf zu behalten. Jetzt erinnere ich mich. Ihre Freundin hat sich wirklich über diesen Dr. Shields aufgeregt. Sie war überzeugt, dass er die Verantwortung am Tod der alten Dame trägt. Die Unterlagen sind in meinem Ordner für ›Laufende Ermittlungen*«, fügte er mit unbewegter Miene hinzu und wies auf seinen Schreibtisch.
»Und was haben die Ermittlungen bisher ergeben?«
»Nun ja, ehrlich gesagt …«
»Ja?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich arbeite daran.«
Am liebsten hätte Regan laut geschrien. Stattdessen holte sie tief Luft. Ihn gegen sich aufzubringen würde ihr nicht helfen, eine ehrliche Antwort zu bekommen. »Ich verstehe. Könnten Sie mir sagen –«
Er ließ sie nicht ausreden. »Ich habe jetzt Feierabend. Warum kommen Sie nicht morgen noch mal wieder?«
Regan war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. »Ich fürchte, das ist nicht möglich. Ist Lieutenant Lewis zu sprechen?«
Langsam ging ihm die Kleine auf den Sack. Sweeneys Abneigung schlug in Feindseligkeit um. Wie konnte sie es wagen, ihn einzuschüchtern und ihm mit seinem Vorgesetzten zu drohen?
»Der Lieutenant ist beschäftigt«, erklärte er und deutete mit einem Nicken auf
Weitere Kostenlose Bücher